Im Arbeitsalltag bleibt oft wenig Zeit, um wichtige Entscheidungen zu treffen. Umso bedeutender ist es, dass sich insbesondere die Führungskräfte eines Unternehmens der zahlreichen Wahrnehmungsverzerrungen bewusst sind, die ihr Urteilungsvermögen trüben und sie in mentale Pfadabhängigkeiten manövrieren können. Es lohnt sich, viele Entscheidungen – sei es die Auswahl eines geeigneten Bewerbers oder die Beurteilung der Kritik eines Mitarbeiters – nicht zu voreilig zu treffen. Denn ein kritisches Bewusstsein gegenüber eigenen Wahrnehmungsfehlern hilft uns, Potenziale festen sowie neuen Personals gewinnbringender zu nutzen. Letztendlich gilt: Ein rein lineares Denken ist nicht zeitgemäß. Konstruktive Querdenker sind gefragt.
Ein Kamel ist ein vom Management geplantes Pferd
Gruppendenken ist in jedem Unternehmen allgegenwärtig. Der Wunsch, akzeptiert zu werden und zu einem Kollektiv dazuzugehören, ist ein tiefes menschliches Bedürfnis. Daher steht in unserer individualisierten Herdengesellschaft von heute das Bedienen von zahlreichen Erwartungshaltungen immer noch auf der Tagesordnung – auch bei unserer Entscheidungsfindung. Stehen wir dabei zusätzlich noch unter besonderem Druck, kommt es nicht selten zu stressbedingten Fehleinschätzungen. Ein lineares Denken ist die Folge. Der Mensch versucht auf diese Weise, jede eventuell entstehende „kognitive Dissonanz“ schon im Voraus zu eliminieren. Mitunter aus Angst vor energieraubenden Konflikten konzentrieren sich daher viele Führungskräfte und Mitarbeiter in ihrem Arbeitsalltag vorwiegend auf „positive“ Neuigkeiten, was jedoch den Fortschritt des Unternehmens behindert. Schließlich werden in einem Unternehmen nachhaltig falsche Entscheidungen getroffen, wenn dort nur einseitige Informationen kursieren.
Die Bedingungen, unter denen wir Entscheidungen treffen, sind leider nicht immer günstig: Entweder fehlen uns relevante Informationen bzw. Wissen oder es fehlt uns schlichtweg an Zeit. Es wurde wissenschaftlich belegt, dass Entscheidungen enorm an Qualität verlieren, wenn sie unter Unsicherheit sowie unter starkem Stress getroffen werden. Diese Beeinträchtigungen folgen im Sinne der „Prospect-Theorie“ der Psychologen Amos Tversky und Daniel Kahneman einer festen Systematik. Sie fanden heraus, dass sich Menschen unter Druck, Risiko und Unsicherheit gerne auf vereinfachende Faustregeln verlassen, die jedoch wiederum zu Wahrnehmungsverzerrungen und somit zu systematischen Fehlern im Entscheidungsprozess führen. Besonders interessant: Eine Ablehnung von Verlusten wird im Abwägungsprozess üblicherweise stärker gewichtet als die Freude über einen potenziellen Gewinn. Zu den bekanntesten Beurteilungsfehlern und Wahrnehmungsverzerrungen gehören:
- Halo-Effekt: Einzelne als positiv oder negativ wahrgenommene Merkmale einer Person überstrahlen dessen Gesamtbild.
- Hierarchie-Effekt: In der Hierarchie Höherstehende werden besser bewertet als untergeordnete Personen.
- Kleber-Effekt: Die „Beurteilungsgeschichte“ einer Person prägt die Sicht des Beurteilenden.
- Primär-Effekt: Der erste Eindruck zählt und alle nachfolgenden Beobachtungen passen sich diesem an.
- Selbsterfüllende Prophezeiung: Ist eine Person willentlich oder unbewusst überzeugt, dass eine bestimmte Vorhersage eintreten wird, so verhält sich diese dementsprechend und die Vorhersage tritt zwangsläufig ein.
- Selektive Wahrnehmung: Die Wahrnehmung des Beobachters konzentriert sich auf einzelne Merkmale des Gegenübers, während die übrigen Eindrücke weitestgehend ignoriert werden.
- Stereotype: Mithilfe von Vorurteilen werden bestimmte Menschen und soziale Gruppen in konkrete Kategorien eingeordnet und ihnen werden vermeintlich passende Informationen zugeschrieben.
In einer „VUCA-Welt“ ist Widerspruch das Salz in der Suppe
Das Zeitalter der Spätmoderne ist geprägt von Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität. Überholte Routinen und einseitiges Denken sind in unserer heutigen „VUCA-Welt“ ein Wettbewerbsnachteil. Jeder Mensch muss fast zu jeder Zeit und unter teilweise unsicheren Bedingungen Entscheidungen treffen. Dass Führungskräfte und Mitarbeiter dabei in ihrem Arbeitsalltag auf vereinfachende Faustregeln zurückgreifen, ist unvermeidlich und zweckmäßig. Es gibt jedoch einen Menschentypus, der mit diesen unsteten Bedingungen besser umzugehen vermag: Der Querdenker. Schließlich nutzen diese in ihrem Arbeitsalltag gerne unkonventionelle Wege des Denkens und Handelns. Fakt ist: Eine Belegschaft, welche konstruktiv-kritische Verbesserungsvorschläge äußern kann, ist außerordentlich bereichernd für jedes Unternehmen. Hüten Sie sich also vor Personal, das zu allem und jedem bloß „Ja“ sagt und damit tendenziell den gängigen mentalen Pfadabhängigkeiten anheimfällt.
Querdenker schwimmen gerne gegen den Strom und ignorieren die gängigen Überzeugungen. Egal, ob es sich um das Hinterfragen von Mehrheitsmeinungen oder den Status Quos an sich handelt, sie wenden sich gerne gegen konformes Gruppendenken und ein einseitiges „Wir-Gefühl“. Andersdenkende gehen mit ihrer Kritik jedoch häufig ein hohes Risiko ein und riskieren nicht selten ihren Job. Daher gilt es zunächst, die destruktiv-rebellischen von den wohlwollenden Querdenkern zu unterscheiden. In einem zweiten Schritt müssen Führungskräfte in einem Unternehmen Raum für abweichende Arbeitsstile und Meinungen schaffen. Der Querdenker muss sich in der Lage sehen, produktive Denk- und Handlungsprozesse anstoßen zu dürfen. In diesem Zusammenhang muss ferner jedes Management für sich entscheiden, welches Maß an Transparenz es zulässt. Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass auch Querdenker unter Umständen den gängigen Wahrnehmungsverzerrungen erliegen.
Wir bei SPECTRUM wissen, dass die Digitalisierung bestehende Berufsbilder zunehmend verändert und ganz neue Stellenprofile schafft. In diesem Zusammenhang ergeben sich für alle Mitarbeiter in einem Unternehmen, egal ob Nachwuchs-, Fach-, Führungskräfte oder berufliche Quereinsteiger, neue Skillanforderungen. Im Rahmen unserer Dienstleistungen ermöglichen wir Unternehmen die zielgerichtete Weiterqualifizierung sowohl ihres vorhandenen als auch ihres zukünftigen Personals. Denn wer in einer „VUCA-Welt“ auch auf querdenkende Potenziale zurückgreift, wird sich nachhaltig einen Wettbewerbsvorteil sichern können.
Bildnachweise für diesen Beitrag:
138822838 © lashkhidzetim – stock.adobe.com
159286988 © fizkes – stock.adobe.com
137193688 © Brian Jackson – stock.adobe.com
181586916 © contrastwerkstatt – stock.adobe.com