Jedes Jahr das gleiche Spiel: Von allen Seiten werden Prognosen über die Zukunft angestellt. Dabei scheinen gerade bei den alljährlichen Techniktrend-Vorhersagen die Sichtweisen gerne einmal auseinanderzudriften. Doch zeigt vor allem die Prognose der Futurologin Amy Webb, dass wir Technologietrends allumfassender und problembezogener denken müssen. So bieten unter anderem die synthetische Biologie und die synthetische Medizin ungeahnte Potenziale für die Zukunft der Menschheit.
Ein Trend oder bloß eine Wunschvorstellung?
Prognosen sind oft nichts weiter als mutige Vorhersagen. Meistens laufen die Dinge dann doch etwas anders, als ursprünglich erwartet. So zum Beispiel vor 2 Jahren, als ich über die Technologietrends 2020 geschrieben habe. Während zu Beginn des Jahres 2020 Human Augmentation bei Trendforschern noch eifrig für Gesprächsstoff sorgte, konnte kaum jemand ahnen, dass bereits ein paar Wochen später Remote Work und Social Distancing die alles dominierenden Themen werden würden. Mittlerweile wurden unsere Bedürfnisse und unser Handeln einem grundlegenden Wandel unterzogen. Man kann also mit gutem Gewissen von zahlreichen neuen gesellschaftlichen und technologischen Trends sprechen, die auch das Jahr 2022 maßgeblich mitgestalten werden. Doch welche Trends sind das genau? Menschen und Unternehmen denken und agieren beispielsweise zunehmend flexibler und damit gleichzeitig resilienter – unter anderem in Form von dezentralem bzw. hybridem Arbeiten. Dass dies überhaupt möglich ist, verdanken wir zahlreichen technologischen Errungenschaften – so zum Beispiel einer sich beschleunigenden Automatisierung von Prozessen. Diese Automatisierung wiederum stieß eine Reihe weiterer Entwicklungen an.
Laut Trend-Report des Marktforschungsunternehmens Gartner erwartet uns im Jahr 2022 eine ganze Palette von Technik-Highlights. Gartners „Top Strategic Technology Trends for 2022“ entpuppen sich bei genauerer Betrachtung jedoch schnell als Sammelsurium – teilweise eher unspezifisch gehaltener – Schlagwörter. So zum Beispiel sieht Gartner Techniktrends unter anderem in folgenden Bereichen:

Bei genannten Trends handelt es sich jedoch oft um Technologien mit noch mangelnder Anwendungspraxis bzw. einer hohen Fehleranfälligkeit. Große Fortschritte auf solchen Gebieten sind ebenso abzuwarten wie im Bereich Kundenerfahrung. Hier prognostiziert Gartner, dass zukünftig Customer Experience, Employee Experience, Multi Experience und User Experience in Form einer sogenannten „Total Experience“ zusammenzudenken sind. Darüber hinaus steht außer Frage, dass Weiterentwicklungen wie etwa in Sachen Cybersecurity Mesh und Privacy-Enhancing Computation mehr als wünschenswert sind, um das Vertrauen der Menschen in die Sicherheit von IT-Infrastrukturen nicht zu gefährden. Doch sind hier Fortschritte mehr als Selbstverständlichkeit und weniger als Trend einzustufen. Auch das Konzept des „Distributed Enterprise“ ist nach 2 Jahren Pandemie nicht mehr so neuartig, wie es zunächst anmutet. Kurzum: Wir müssen Technologietrends allumfassender und problembezogener denken. Dann wird auch erkennbar, welche Wertschöpfungspotenziale das Jahr 2022 noch für uns bereithält.
Über Technologietrends, die einen Unterschied machen
Schon jetzt ist sicher, dass uns im neuen Jahr 2022 unter anderem folgende Themen beschäftigen werden:
- 3D-Drucker 2.0
- Cybersicherheit
- Datenschutz
- Dekarbonisierung
- Green-IT (oder gar Refurbished-IT)
- immersive Kundenerfahrung
- intelligentes Supply-Chain-Management
- Multi-Clouds

Die Futurologin Amy Webb setzt jedoch ganz andere Schwerpunkte. Ihr geht es im Wesentlichen um Chancen, die Techniktrends bieten, um auf Bedürfnisse oder Problemlagen wie etwa dem Klimawandel wirksam zu reagieren. Gegenüber dem Handelsblatt hat die Trendforscherin Einblicke in ihren „Tech Trends Report“ für 2022 gegeben. Webb sieht unter anderem folgende Entwicklungsfelder für das neue Jahr:
- Die weiter fortschreitende Dezentralisierung unserer Welt (in den Bereichen Arbeit, Finanzen, Netzwerke, Kommerz etc.),
- die Beeinflussung des Wetters durch Geo-Engineering,
- die Kontrolle einer potenter werdenden KI (Gefahr durch übermäßiges Sammeln privater Daten),
- die Potenziale von synthetischer Biologie (Beispiel: CO2-abbauende künstliche Blätter) und synthetischer Medizin (Beispiel: Design von Organismen und Zellen oder Herstellung von künstlichem Fleisch) sowie
- die Kommerzialisierung von Satellitentechnik und Weltraumfahrt.
Laut Amy Webb, CEO des Future Today Institute, sei es insbesondere möglich, der nahenden Klimakatastrophe wirksame grüne Technologien entgegenzusetzen, die weder die Wirtschaft noch die Verbraucher noch den Staat zu sehr einschränken. Der einzige Haken daran: Diese Technologien müssen erstmal ihren Weg in die Öffentlichkeit finden.
Neue Technologien werden auch im Jahr 2022 unsere Alltagsgestaltung maßgeblich beeinflussen. Zukunftsvisionen wie etwa (Super-) Apps auf AR-, Blockchain-, Instant- oder VR-Basis, die Cyber-Utopie Metaversum oder weniger gehypte Ansätze wie passwortfreie Authentifizierungsverfahren oder Telemedizin klingen zweifelsfrei vielversprechend. Die Entwicklung solcher Meilensteine wird sich jedoch systematisch verzögern, wenn es an der hierfür jeweils benötigten Breitband-Infrastruktur bzw. 5G-Technologie mangelt. Im 3. Pandemie-Jahr zeigt sich, dass es hierzulande leider noch eine Menge Widersprüche gibt, die zu bewältigen sind. Doch es gehört zum aktuellen Zeitgeist dazu, diese und andere Ambiguitäten nicht nur auszuhalten, sondern sich auch lösungsorientiert mit diesen auseinanderzusetzen.
Dazu gehört auch die Qualifizierung der Menschen, die die Entwicklung solcher Technologien vorantreiben. Damit die Unternehmen in unserem Land in der Lage sind, mit aktuellen Trends mitzuhalten, muss ein bedeutender Teil der Investitionen in die Rekrutierung und Weiterbildung entsprechender Fach- und Führungskräfte fließen – sowohl in Nachwuchskräfte als auch in erfahrene Experten und vorhandene Mitarbeiter.
Wir machen aus Talenten Experten!
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