Im Zuge der Digitalisierung gelingen der Wissenschaft ständig neue raffinierte Entdeckungen. Vor allem die Robotik macht mittlerweile große Fortschritte mithilfe der Synthetischen Biologie und modernster KI. Nun ist Bioingenieuren aus den Vereinigten Staaten sogar eine Sensation gelungen. Erstmals gelang es, aus organischem Gewebe mikroskopisch kleine neuartige Lebensformen, genannt „Xenobots“, zu entwickeln. Es handelt sich dabei um verschiedenartig zusammengesetzte Organismen aus Haut- und Herzzellen von Krallenfröschen, die in der Lage sind, sich zielgerichtet zu bewegen und kleine Lasten zu transportieren. Und ihr Potenzial ist immens: Hochentwickelte Xenobots könnten in der Zukunft unter anderem die Medizin oder den Umweltschutz revolutionieren.
Das Zeitalter der selbst entworfenen Organismen
Seit jeher versucht die Menschheit, andere Lebewesen durch Beeinflussung oder Zucht ihren Wünschen anzupassen. Dabei orientiert der Mensch sich gerne an den Konzepten der Natur. Die heutigen Möglichkeiten der Biotechnologie und Robotik haben jedoch mittlerweile einen neuen Meilenstein erreicht. Bisher war es bereits möglich, Organismen so zu manipulieren, dass sie bestimmte Eigenschaften annehmen, und Organoide aus Stammzellen zu züchten. US-amerikanische Forscher, darunter der Robotik-Experte Josh Bongard, gingen nun einen Schritt weiter, indem sie mithilfe von KI erstmals ganze Lebewesen entwickelten. Diese sind weder traditionelle Roboter noch Tiere, sondern programmierte Organismen, die aus passiven Hautzellen und kontrahierenden Herzzellen des afrikanischen Krallenfrosches „Xenopus laevis“ bestehen. Für diese sogenannten „Xenobots“ wurden pluripotente Stammzellen sowie Vorläufer von Herzmuskelzellen aus Embryos gewonnen, so der deutsche Biophysiker Friedrich Simmel. Kombiniert man beide Zelltypen miteinander, lassen sich Lebewesen mit den unterschiedlichsten Fähigkeiten bauen.

Mithilfe des Supercomputers „Deep Green“ der Universität Vermont konnten die Forscher organische Gebilde simulieren und deren Verhalten prognostizieren. Hierfür griff der Rechner auf eine Art „genetischen Algorithmus“ mit biophysikalischen Informationen über die beiden Zelltypen zurück. Infolgedessen wurden tausende Zufallskonfigurationen aus Haut- und Herzmuskelzellen erstellt und in einer virtuellen 3D-Simulation getestet. Diejenigen Modelle, die in der Lage waren, sich zu bewegen oder besondere Aufgaben zu erfüllen, wurden verfeinert, während fehlgeschlagene Designs verworfen wurden. Anschließend ging es darum, aus einzelnen Zellen die unterschiedlichen Gewebestücke zu konstruieren, die teils zu allerlei kuriosen Körperformen verbunden wurden. Die Logik dahinter: Die Hautzellen bildeten eine an sich passive Architektur, während die Kontraktionen der Herzmuskelzellen dafür genutzt wurden, um eine geordnete Vorwärtsbewegung zu erzeugen. Andere Xenobots wiederum, die beispielsweise mit einem Loch in der Mitte konstruiert wurden, konnten die Funktion eines Beutels übernehmen, um ein Objekt zu transportieren.

Über die Grenzen und Zukunftspotenziale von Xenobots
Xenobots sind nicht größer als ein Millimeter. Sie bestehen zwar zu hundert Prozent aus Froschzellen, sind aber tatsächlich neuartige Wesen. Wie alle Organismen auch sind sie komplett biologisch abbaubar. Sie sterben, sobald die embryonale Energie, die in ihren Zellen gespeichert ist, verbraucht wurde. Die Forscher konnten demonstrieren, dass manche Xenobots fähig sind, tagelang – und mitunter sogar wochenlang – in wässrigen Umgebungen zu überleben und sich sogar selbst zu heilen. Infolgedessen sind ihre Einsatzfelder vielseitig und sie überragen dabei sogar die Möglichkeiten so mancher Maschine. Die kleinen Computer-designten Organismen könnten unter anderem für die intelligente Arzneimittelabgabe verwendet werden, so der Xenobot-Mitentwickler Michael Levin. Ebenso lassen sich Xenobots in der Zukunft vielleicht sogar auf giftige oder radioaktive Abfälle abrichten oder auch auf das Sammeln von Mikroplastik im Wasser oder Plaque in Arterien programmieren. Diese und weitere Eindrücke vermittelt der Original-Fachartikel (PDF) des Experten-Teams um Bongard und Levin im Fachjournal „PNAS“.
Angesichts dieser Entwicklungen sollten wir uns grundsätzlich die Frage stellen, wie wir die Zukunft der Wissenschaft und auch der Digitalisierung nachhaltig gestalten wollen. Schließlich sind auch ethische Fragen zu klären, spätestens wenn Forscher irgendwann dazu in der Lage sein sollten, Kreaturen herzustellen, die auf ihre Umwelt reagieren können. Doch bis auf Weiteres stößt die Wissenschaft noch an ihre Grenzen. Wie Bongard und Levin betonen, handelt es sich bei ihren aktuellen Forschungen bisher nur um Machbarkeitsstudien. Denn zunächst sei erstmal die Frage zu klären, wie es Zellen überhaupt gelingt, sich untereinander zu organisieren und zu verständigen. Levin verweist des Weiteren auf die noch nicht abschätzbaren Folgen bei der Konstruktion komplexerer Organismen. Nichtsdestoweniger lässt sich aufgrund ihrer Entdeckungen nun beobachten, wie die „Hardware“ der Zellen dabei hilft, dass diese miteinander kooperieren, und wie sich unterschiedlich funktionierende Anatomien erzeugen lassen. Welche Entwicklungspotenziale den Xenobots bzw. der Robotik und der Synthetischen Biologie innewohnen, illustriert nachfolgendes zusammenfassendes Video:
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