Neuro-Recruiting: unterbewusste Mechanismen verstehen und nutzen

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Silouhetten von Koepfen mit verschiedenen Emotionen als Darstellung von Neuro-Recruiting

Wie Menschen Dinge wahrnehmen, entscheidet oft das Unterbewusstsein. In einer Welt, die zunehmend komplexer wird, erhalten Emotionen im Entscheidungsprozess eine steigende Bedeutung. Recruiter sollten ihr Unternehmen daher als Marke begreifen, die bei Jobsuchenden sowohl gute als auch schlechte Emotionen auslösen kann. „Neuro-Recruiting“ heißt das neue Buzzword.

Das Steinzeit-Gehirn arbeitet intuitiv

Teilweise hängt das menschliche Gehirn noch in der Steinzeit fest. Dies gilt insbesondere für das Stammhirn, dem sogenannten „Reptilienhirn“. Erreicht dieses ein Hinweisreiz, werden hier unbewusst erste Entscheidungen getroffen. In bedrohlichen Situationen reagiert das Gehirn wie schon vor tausenden von Jahren mit „Fight“, „Flight“ oder „Freeze“. Nicht selten ist eine solche Stressreaktion irrational und wurde lediglich von negativen Reizen ausgelöst.

Unser Gehirn ist also empfänglich für emotionale Eindrücke verschiedenster Art. Das limbische System im Zwischenhirn, das mit der emotionalen Verarbeitung von Impulsen beschäftigt ist, beeinflusst unser alltägliches Bauchgefühl. Wissenschaftler gehen davon aus, dass Menschen Entscheidungen auch heute noch überwiegend auf Basis von Emotionen und weniger aufgrund von rationalen Überlegungen treffen.

Laut dem deutschen Hirnforscher Ernst Pöppel trifft der Mensch jeden Tag etwa 20.000 Entscheidungen. Einige von ihnen sind Blitz- und Routine-Entscheidungen, andere wiederum verlangen uns mehr Energie und Zeit ab – je nachdem, ob wir beispielsweise ein neues Auto oder nur eine Zeitung kaufen möchten. In der Psychologie spricht man hier von einem langsamen und einem schnellen Entscheidungsprozess (→„Dual Process Theory“). Doch ist es verlockend, sich im Alltag einfach größtenteils von der Intuition leiten zu lassen. Warum? Weil es schlichtweg alltagstauglicher und bequemer ist.

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Natürlich bestimmen Gefühle nicht ausnahmslos jede Entscheidung. Dennoch vermitteln sie uns bewusst bzw. unbewusst (!) wichtige Eindrücke – egal, ob im Berufs- oder Privatleben. So kann für Jobsuchende ein ungutes Gefühl beim neuen Arbeitgeber ausschlaggebend sein, die Stelle doch noch abzulehnen. Hier zeigt sich, dass Unternehmen stets Marken sind, die unentwegt Emotionen transportieren. Dies gilt insbesondere für die Arbeit von Personalern im Bewerbungsprozess. Deswegen sollte dieser möglichst simpel und sympathisch gehalten werden. Hierfür braucht es mehr Neuro-Recruiting.

Dem Bewerber emotionalisierte Stimuli anbieten

In Zeiten des Fachkräftemangels und einer von Krisen gebeutelten Welt sind loyale Mitarbeiter für Unternehmen das höchste Gut. Doch jede Belegschaft altert und Mitarbeiter kündigen gelegentlich. Personalsucher müssen somit ständig neue Wege ausloten, um neue Talente nachhaltig für sich zu gewinnen. Einen vielversprechenden Ansatz liefert das Neuro-Recruiting. Hier geht es darum, dem Bewerber Mikromomente des Well-Beings zu vermitteln – also einen ausgewogenen Mix aus emotionalisierten Stimuli. Das heißt, es gilt dem Jobsuchenden zu kommunizieren, dass sie oder ihn im neuen Job folgendes erwartet:

  • Abwechslung & Entwicklungschancen
  • Anschluss & Einfluss
  • Belohnungen & Benefits
  • Erfolgserlebnisse & Selbstwirksamkeit
  • Harmonie & Stabilität
  • Status & Stolz
Bewerberin freut sich ueber Emotionen im Recruitingprozess

Selbstverständlich hat jeder Mensch – auch in Abhängigkeit von Alter und Geschlecht – ein unterschiedliches Bedürfnis nach jeweiligen Stimuli. Während Mitarbeiter A sich beispielsweise eher nach Ordnung und Sicherheit sehnt, sucht Mitarbeiter B vielleicht pausenlos neue Herausforderungen und Veränderungen. Entscheidend ist, dass die Unternehmenskultur einer Firma auf sämtliche dieser Bedürfnisse eingeht. Und dass sie dies tut, muss den Bewerbern von Anfang an kommuniziert werden. Idealerweise nutzt der Recruiter hierfür Bilder oder Videos, da visuelle Reize besser im Gedächtnis bleiben.

Gewiss ist, dass sich das Recruiting in absehbarer Zukunft immer mehr den Ansprüchen der Jobsuchenden anzupassen hat. Mehr noch: Unternehmen müssen im „War for Talents“ zunehmend dafür kämpfen, in der Masse an Arbeitgebern überhaupt aufzufallen. Erfolgreiches Kandidaten-Sourcing im Jahr 2022 folgt jedoch einem recht simplen Prinzip: Authentisches und zeitgemäßes Recruiting ist angesagt. Das bedeutet, dass vermittelte Emotionen durch überzeugende(s) Storytelling und Testimonials von Mitarbeitern untermauert werden sollten.

Interessierten Bewerbern von Anfang an ein gutes Gefühl zu vermitteln, ist zweifelsohne ratsam. Sei es durch eine positive Ansprache, einen einfachen, schnellen und transparenten Recruitingprozess oder durch kleine Aufmerksamkeiten wie etwa eine bequeme Sitzgelegenheit oder ein warmes Getränk beim Job-Interview. Diese mindern nicht nur Aufregung und Stress des Kandidaten, sondern hinterlassen auch bei ihr oder ihm ein gutes Gefühl. Nichtsdestoweniger reicht ein positiver erster Eindruck womöglich aus, um eine Stelle zu besetzen, wie sie jedoch langfristig besetzt bleibt, ist eine andere Geschichte.

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