Elon Musk stellt sich selbst als Kämpfer für mehr Meinungsfreiheit auf Twitter dar. Doch stößt er mit seinen Plänen eine breite Debatte über die Funktion und Ursprünge von Redefreiheit an. Das, was er sich vorstellt, ist nicht nur schwer umsetzbar, sondern auch riskant.
Die Meinungsfreiheit endet, wenn die Freiheit des Anderen beginnt
Jeder Bewohner der Erde besitzt Menschenrechte. Im deutschen Grundgesetz werden sie „Grundrechte“ genannt. Die Meinungsfreiheit (verankert in Artikel 5, GG) ist wohl eines der ältesten Rechte. Schon im antiken Griechenland und im Rahmen der Französischen Revolution hat man über das Grundbedürfnis nach Redefreiheit diskutiert.
Die Meinungsfreiheit ist eine Art Abwehrrecht oder Schutzrecht, das in erster Linie gegen Übergriffe der Staatsgewalt schützt. Gleichzeitig gilt es auch horizontal in Bezug auf andere Menschen. Es ist jedoch leichter, seine freie Meinungsäußerung gegenüber dem Staat einzuklagen als gegen Privatpersonen oder Unternehmen. Denn wo endet schließlich die Freiheit des Einzelnen und wo beginnt die Freiheit der Anderen? (Kant)
Die Meinungsfreiheit schützt Meinungen, da diese stets subjektiv sind. Es liegt somit im Auge des Betrachters, ob eine Sichtweise wahr oder falsch ist. Geht es in der zwischenmenschlichen Kommunikation hingegen um Tatsachen, sieht es anders aus. Letztendlich lässt sich durchaus belegen, ob sich bestimmte Sachverhalte oder Vorfälle wirklich ereignet haben.
Werden über eine Person Tatsachen behauptet, die nicht stimmen, fällt dies in die Kategorie „Beleidigung, Verleumdung oder üble Nachrede?“. Hier greift die Meinungsfreiheit nicht – auch nicht online. Betreiber von Online-Plattformen müssen daher auf der Hut sein, die Würde ihrer User und besonders Kinder und Jugendliche zu schützen. Ganz klare No-Gos auf Social-Media-Kanälen sind:
- Aufhetzung
- Betrug
- Desinformation
- Diffamierung
- Drohung
- Hate-Speech
- Schikane
Elon Musk will für Twitter die Freischnäuzigkeit und riskiert das Chaos
Der Milliardär Elon Musk hat eine eigene Vorstellung von Meinungsfreiheit. Im Rahmen seiner Übernahme von Twitter hat er eine breite Diskussion über die Funktion und Ursprünge von Redefreiheit angestoßen. Der Tesla-Gründer nennt sich selbst ein „Absolutist der Meinungsfreiheit“ und plant, auf besagter Social-Media-Plattform die freie Meinungsäußerung zu erweitern. Konkret bedeutet dies, dass er bestimmte Löschungen und Sperrungen bezüglich dessen, was Nutzer online von sich geben dürfen, abschaffen wolle.
Eine solche Ausweitung von Meinungsfreiheit auf Twitter entspricht jedoch viel eher dem Prinzip der „Parrhesia“ (zu deutsch: „Freischnäuzigkeit“), welches man schon im alten Athen kannte. Es bedeutet, dass man alles sagen darf, ohne lange darüber nachzudenken. Würde eine solche Redefreiheit fortan auch auf Twitter gelten, so wäre vermutlich ein verbaler Naturzustand – also ein chaotischer, „infodemischer“ Raum – die Folge.
Durch das Einführen eines freimütigen Redeprinzips würde Musk den Twitter-Usern einen Bärendienst erweisen. Letztlich wird er dadurch nicht nur Nutzer anlocken, die Gewinne machen wollen, sondern auch allerlei gewalttätigen, obszönen und offensiven Content. Ob eine derartige Entwicklung jedoch langfristig zum Erfolg der Plattform beitragen oder viel eher zu neuen Zensur-Maßnahmen führen wird, bleibt abzuwarten.
Menschliches Zusammenleben wird immer Regeln brauchen
Im zwischenmenschlichen Miteinander gibt es immer wieder Situationen, in denen die Redefreiheit des Einzelnen eingeschränkt werden muss. Das gilt nicht nur, wenn eine Person undemokratische Parolen verbreitet oder etwa den Holocaust leugnet. Gewährt man jedoch absolute Rechte, so können diese nicht eingeschränkt werden. Darum ist die Etablierung von absoluter Redefreiheit riskant.
Anbieter von Online-Plattformen dürfen grundsätzlich frei entscheiden, was sie in ihren Netzwerken dulden wollen und was nicht. Schließlich sind Social-Media-Plattformen keine öffentlichen Kanäle, sondern eher private Netzwerke. Dennoch muss auch hier nationales und internationales Recht eingehalten werden. Relevant sind vor allem das deutsche Netzwerkdurchsetzungsgesetz und der neue EU-weit geltende Digital Services Act. Besonders mit letzterem könnte Twitter auf Kollisionskurs gehen.
Selbstverständlich steht ein buntes Meinungsbild im Internet beispielhaft für eine lebendige Demokratie. Dennoch muss es auf jeder Online-Plattform verbindliche „Spielregeln“ geben. Denn die eigene Redefreiheit sollte spätestens dann enden, wenn sie anderen Menschen bewusst schadet. Folglich ist ein aktives Filtern von schädlichen Meinungen für ein friedliches Miteinander im World Wide Web schlichtweg unvermeidbar. Menschliches Zusammenleben wird also immer Regeln brauchen, ob mit oder ohne Elon Musk.
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