Unsichere Zeiten verlangen nach flexiblen Lösungen. Von den Mitarbeitern eines Unternehmens werden dann Kooperation und eine rasche Anpassung an die neuen Umstände erwartet. Krisen sind jedoch für manche oft auch Anlass zur Ablehnung und Angst gegenüber Fremdartigem oder Ungewohntem, was zu Konflikten in Wirtschaft und Gesellschaft führen kann. Hier müssen Unternehmen entgegensteuern, indem sie zum Beispiel Vielfalt in ihrer Belegschaft mit Offenheit begegnen und proaktiv Diversity Management betreiben. Gelingt ihnen dies, kann Diversität ein Katalysator für Erfolg werden. Beispielhaft steht hierfür das Mainzer Forschungsunternehmen BioNTech, welches den weltweit ersten regulär zugelassenen Corona-Impfstoff entwickelt hat. Es wird also endlich Zeit, dass Diversity in deutschen Firmen zur Selbstverständlichkeit wird. Jedoch sollte dabei nicht die individuelle Leistung außer Acht gelassen werden.
Heterogenität ist als Chance zu begreifen
Das Corona-Virus verschärft weltweit die soziale Ungleichheit zwischen den Menschen. Auch Deutschland ist davon betroffen. Nun zeige sich, wie die deutsche Gesellschaft mit sozialer Vielfalt tatsächlich umgeht, so Dr. Kai Unzicker, Senior Project Manager bei der Bertelsmann Stiftung. Demnach habe es zu Beginn der Pandemie vor allem anti-asiatischen Rassismus gegeben. Pandemien könne man daher auch als „soziale Krankheit“ verstehen, da diese das soziale Miteinander der Menschen radikal beeinflussen. Dies gilt für Gesellschaften im Allgemeinen sowie für Unternehmen im Speziellen. Der Hintergrund: Vor anders- bzw. fremdartigen Zeitgenossen fürchten sich Menschen in Krisenzeiten besonders gerne. Doch kann personelle Vielfalt beeindruckende Früchte tragen. Dies beweist das deutsche Forschungsunternehmen BioNTech unter der Leitung des türkischstämmigen Vorstandsehepaars Uğur Şahin und Özlem Türeci. Ihr Unternehmen wurde zum Vorzeigebeispiel deutscher Integrationspolitik, da es den weltweit ersten regulär zugelassenen Impfstoff entwickelt hat. Doch ist dieser Erfolg auch ihrer Belegschaft und einem gelungenen Diversity Management zu verdanken. Schließlich hat das Mainzer Unternehmen im Jahr 2018 die „Charta der Vielfalt“ unterschrieben und setzt sich damit ausdrücklich zur innerbetrieblichen Förderung von Vielfalt ein.
Ein gelungenes Diversity Management ist betriebswirtschaftlich hochgradig relevant: Es beugt nicht nur ausgrenzenden und populistischen Tendenzen in der Belegschaft vor, sondern setzt auch neue Leistungspotenziale und Entwicklungschancen frei. Vor allem in unsicheren Zeiten, wenn der Druck von außen steigt, sorgt es für langfristige Stabilität bei den Beschäftigten. Dafür bedarf es jedoch einer nachhaltigen Unternehmenskultur, die auf personelle Vielfalt eingeht. Beim Thema „Diversity“ gibt es grundsätzlich 6 Kerndimensionen, die sich häufig überschneiden: Alter, Behinderung (körperlicher oder geistiger Natur), Ethnizität, Geschlecht, Religion und Sexualität. Diese lassen sich wiederum als innere Dimensionen begreifen und ggf. noch durch äußere und organisationale Dimensionen erweitern, worauf das betriebsinterne Diversity Management konkret Bezug nehmen kann – siehe hierzu auch das sogenannte „4-Schichten-Modell“ („Four Layers of Diversity“) nach Lee Gardenswartz und Anita Rowe. Wie erfolgreiches Diversity Management funktioniert bzw. auf welche Ansätze man sich diesbezüglich beruft, handhabt jedes Unternehmen anders. Nichtsdestoweniger gibt es ein grundlegendes Prinzip, auf das sich alle Diversity Manager stützen: Heterogenität ist als Chance zu begreifen.
Leistung und Talent – Unterschiede, auf die es ankommt
Zu einem gelungenen Diversity Management gehört unter anderem die Verhinderung von Altersdiskriminierung, die Gleichbehandlung der Geschlechter sowie die Integration vielfältiger Ethnizitäten und Religionen in den Unternehmensalltag. Ferner sollte Menschen mit Behinderungen ein barrierefreies Arbeiten ermöglicht werden. Doch wäre Diversity Management zu kurz gedacht, wenn Firmen dies lediglich als „Appeasement“ gegenüber verschiedenartigen kulturellen Einflüssen betrachten. Vielmehr geht es darum, den Beschäftigten – unabhängig vom sozialen Hintergrund – zielgruppengerechte Entwicklungschancen anzubieten. Personelle Vielfalt wird schließlich dann zum Erfolgsprinzip, wenn die individuelle Leistung und die damit verbundene Förderung von Talenten im Mittelpunkt stehen. Paradigmatisch steht hierfür der Aufstieg von BioNTech, der Hinweis gibt auf einen Trend, der sich in den letzten Jahren abzeichnete: Immer mehr Menschen mit Migrationshintergrund werden zu Unternehmensgründern. Dies bestätigen auch die Ergebnisse einer aktuellen Studie der Bertelsmann Stiftung zu „Migrantenunternehmen in Deutschland zwischen 2005 und 2018“. Demnach habe in der Bundesrepublik von 2005 bis 2018 die Anzahl der Unternehmer mit Migrationshintergrund um etwa 200.000 auf insgesamt 773.000 Personen zugenommen. Diversity kann somit Performance begünstigen. Leider sehen das noch nicht alle Unternehmen so.
Für die Post-Corona-Ära werden in Deutschland Firmen gebraucht, die mit Diversität und heterogenen Belegschaften umgehen können. Nur so lässt sich im internationalen Wettbewerb um Innovationen mithalten. Benötigt werden Unternehmen mit Vorbildcharakter, die Inklusion vor allem über Förderung von Talenten betreiben. Denn wenn Diversity auf allen Ebenen einer Firma zum Leitprinzip wird, dann wird sich dies auch auf die Performance auswirken. BioNTech lehrt der deutschen Wirtschaft, dass Diversity eben auch auf der Führungsebene stattfindet. Unternehmen, die Leistung honorieren und Diversity leben, erhöhen die Produktivität und Zufriedenheit ihrer Mitarbeiter und tragen somit auch zu ihrer Resilienz als Betrieb bei. Gleichzeitig steigen dadurch für die Beschäftigten die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Teilhabechancen. Ein erfolgreiches Diversity Management in Unternehmen stellt somit nicht nur auf ein Ende der Stigmatisierung von Einzelpersonen oder Randgruppen ab. Ferner lässt es sich nicht erzwingen. Vielmehr sollten Unternehmer eine grundlegende Offenheit in Diversity-Fragen in ihre Unternehmenskultur integrieren und diese den Beschäftigten selbst vorleben. Dann bestehen die besten Chancen, dass neue Talente zum Vorschein kommen.
Bildnachweise für diesen Beitrag: 215658584 © Mikhaylovskiy – stock.adobe.com 331180424 © Ana Baraulia – stock.adobe.com