Leistungsprinzip 2.0 – Wie man der FOMO-Tretmühle entkommen kann

Junger Mann im FOMO-Rausch rennt einem Bus hinterher.

Leistungsdenken und Optionsvielfalt bestimmen unser Zeitalter. „Schneller, höher, weiter“ lautet auch die Devise der Spätmoderne. Der Steigerungs- und Optimierungswahn der heutigen Menschen scheint dabei keine Grenzen zu kennen. Ein solches Mindset schafft zwar neue Möglichleiten, ebnet jedoch auch zwangsläufig den Weg für neuartige Problemstellungen. Da wäre zum Beispiel das für die heutige Zeit prominente Gefühl, ständig etwas verpassen zu können – sei es im Berufsalltag oder in der Freizeit. Verstärkt wird diese Besorgnis durch eine Orientierung an den Erwartungshaltungen des jeweiligen sozialen Umfelds. Von „FOMO“ – der „Fear of missing out“ – sind jedoch nicht nur die berüchtigten Generationen Y und Z gefährdet, sondern grundsätzlich jeder. FOMO ist nicht nur die logische Konsequenz einer reizüberfluteten und schnelllebigen Arbeits- und Denkweise, FOMO steht auch symbolhaft für ein ausdifferenziertes Leistungsprinzip.

Wenn soziale Interaktionen vom Leistungsprinzip erfasst werden

Die „Fear of missing out“ (FOMO) bzw. die Angst, etwas zu verpassen, ist in spätmodernen Gesellschaften nahezu omnipräsent: In der Finanzbranche kennt man sie als Angst, den Kursaufschwung zu verpassen, und im Marketing wird mit FOMO viel Geld gemacht. Firmen wie Facebook profitieren von diesem neuartigen Weltschmerz, während sich der Mensch von heute immer mehr seiner Rastlosigkeit hinzugeben scheint. FOMO stellt dabei auf mehreres ab: Man empfindet Ärger über falsche Entscheidungen, Bedauern über verpasste Gelegenheiten und Furcht vor sozialer Ausgrenzung. An dieser Stelle wird deutlich, welche Relevanz soziale Interaktionen für den Menschen auch heute noch haben. Ein regelmäßiger sozialer Austausch sei für Individuen ähnlich wichtig wie das Bedürfnis nach Nahrung oder einem Zufluchtsort, so die US-amerikanische Sozialpsychologin Amy Summerville. Doch der Mensch braucht nicht nur Aufmerksamkeit von seinen Mitmenschen, sondern er will auch das Gefühl haben, Anderen etwas Gutes zu tun. Eine erfolgreiche Pflege von sozialen Kontakten wird nicht selten als Leistung verstanden.

Eine Gruppe junger Leute mit ihren Smartphones im FOMO-Rausch

Der Begriff „Leistung“ wird seit jeher als soziale Ordnungskategorie aufgefasst. Was alles als Leistung eingestuft werden kann, hängt stark vom örtlichen und zeitlichen Kontext ab. Der heutige Leistungsbegriff erstreckt sich jedoch nicht mehr nur auf die reine Erwerbsarbeit, sondern hat sich bereits gänzlich neue Bereiche erschlossen, in denen er latent wirkt. Daher kann man die seit 2013 im „Oxford Dictionary“ aufgeführte „Fear of missing out“ allgemein als Angst verstehen, seinen sozialen Status Quo zu verlieren. Diese Besorgnis wird durch die berüchtigte „Always-On-Mentalität“, wenn das Smartphone nicht mehr zur Seite gelegt werden kann, noch zusätzlich verstärkt. Entscheidend ist hierbei, dass die Ursache für FOMO weniger in einer Art „Sensation-Seeking“ begründet liegt als vielmehr in der Furcht, aufgrund unzureichender „sozialer Leistung“ abgehängt zu werden. FOMO ist zwar grundsätzlich eine diffuse Angst, doch fußt sie wiederum auf dem Bedürfnis nach Anerkennung, Anschluss, Kontrolle und Sicherheit.

So gelingt der Ausbruch aus dem FOMO-Kreislauf

Die technologischen Errungenschaften von heute rufen bei vielen Menschen neue Ängste und Sorgen auf den Plan. Viele von ihnen fühlen sich permanent unter Druck gesetzt, ihren Blick unermüdlich aufs Smartphone richten zu müssen, um bloß nichts zu verpassen. Die „Fear of missing out“ heizt dadurch ein unendliches Wettrennen nach neuen Informationen an, das man nur verlieren kann, da es verhindert, im richtigen Moment Entschleunigung zuzulassen. In der Arbeits- und Freizeitwelt ist es jedoch unerlässlich, dass man weiß, in welchen Situationen welcher Tempomodus angebracht ist. Jeder Mensch sollte daher in der Lage sein, seine Arbeits- und Lebensgeschwindigkeit nach Belieben drosseln und jede Form von unnötigem Input stoppen zu können.

Nahaufnahme einer Stoppuhr die in einer Hand gehalten wird.

Was dabei helfen kann:

  1. Fokus auf die eigenen Bedürfnisse und Maßstäbe richten
  2. Medienkonsum reduzieren
  3. Singletasking anstelle von Multitasking
  4. Verzicht auf den Vergleich mit dem sozialen Umfeld

Ferner lässt sich die Angst, etwas zu verpassen, bzw. der „hungrige Geist der Neugier“ sowohl in der Arbeits- als auch in der Privatwelt durch klare Strukturen und Zielsetzungen besänftigen. Dies gelingt durch ein(e) konsequente(s) Prioritätensetzung und Rollenmanagement (nicht nur) im Berufsalltag. Eine andere Möglichkeit, mit der „Fear of missing out“ umzugehen, ist es, bewusst das Gegenteil zu machen – das heißt, auf konkrete Konsum- und Interaktionsmöglichkeiten gelegentlich zu verzichten und damit den gängigen Erwartungshaltungen und eigenen Optimierungsbestrebungen zu trotzen. Auf diese Weise lässt sich die diffuse Angst, den Anschluss zu verpassen, zu jeder beliebigen Zeit in Schach halten und es bleibt mehr Energie und Zeit für die Aufgaben und Menschen übrig, die in der jeweiligen beruflichen oder privaten Situation gerade die meiste Aufmerksamkeit benötigen.

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