Die Kulturbranche in der Krise – Warum auch wir in der Verantwortung stehen und wie wir helfen können

Kulturbranche in der Krise: Leere Konzerthalle mit Mikrofon

Seit März stehen bereits die Konzerthallen leer. Dann verkündeten der Bund und die Länder: Veranstaltungen, die der Unterhaltung dienen, seien nicht mehr gestattet. Für viele Künstler bedeutet dies ein Ausfall der wichtigsten Einnahmequelle. Und auch noch bis kurz vor Weihnachten soll die Kulturbranche ausgebremst werden – und dies, obwohl sich fast alle Kulturschaffenden an die neuen Hygieneregeln gehalten haben. Nicht „systemrelevant“, so lautet das Stigma in Zeiten von Corona. Den Künstlern und Veranstaltern bleiben nur die Spielräume des Internets. Wer sich darüber hinaus nicht über staatliche Hilfen finanzieren kann, muss zwangsläufig über einen Branchenwechsel nachdenken. Daher ist es nun an der Zeit, dass wir, die Fans, am Schicksal unserer Kulturschaffenden teilhaben. Hierfür müssen wir jedoch zunächst unser eigenes Nutzungsverhalten reflektieren.

Ohne Kultur wird unser Alltag sehr still

Nicht systemrelevant“, dieses Stigma nagt nun schon seit Monaten am Image der Kulturschaffenden. Doch ist die Kultur- und Kreativbranche keineswegs eine Nischenangelegenheit. Laut Bundesministerium für Wirtschaft und Energie seien dort allein im Jahre 2019 fast 1,8 Millionen Erwerbstätige mit einem Umsatz von über174 Milliarden Euro beschäftigt gewesen. Hier wird somit ein durchaus relevanter Wirtschaftsbereich systematisch unterschätzt. Gerade erst konnten die Kulturschaffenden ihre wiedergewonnenen Freiheiten nutzen, um sich vom ersten Lockdown zu erholen, schon verschärften Bund und Länder wieder die Corona-Maßnahmen, die nun noch bis kurz vor Weihnachten gelten sollen. Dass die Kulturbranche sich von diesen Beschlüssen benachteiligt fühlt, liegt auf der Hand. Zwar gibt es vonseiten der Bundesregierung finanzielle Hilfen für Künstler und Kreative, doch wie unbürokratisch und zeitnah diese gewährt werden, bleibt abzuwarten. Auch stellt sich die Frage, welche Kulturschaffenden und Projekte letztendlich als „förderfähig“ anerkannt werden. Der Sänger Mark Forster findet in einem Interview mit MDR JUMP klare Worte: In Deutschland fehle schlichtweg die Wertschätzung für die Kulturbranche.

Obdachlose Straßenmusiker bieten an für Essen zu arbeiten

Wer in der Kulturbranche arbeitet, leistet einen identitätsstiftenden Beitrag zum Zusammenhalt in der Gesellschaft. Diese Leistung wird leider auch in Zeiten von Corona finanziell nicht hinreichend honoriert. Schuld daran ist augenscheinlich das Fehlen einer starken Lobby in der Politik. Kulturschaffende haben seit März leere Kalender zu beklagen, doch ihre Bedürfnisse finden in den politischen Gremien bis heute nur unzureichend Widerhall. Dennoch: Die Not macht bekanntlich erfinderisch. Viele Künstler und Veranstalter nutzen die Chancen der Digitalisierung für sich und bieten Online-Veranstaltungen an – manche von ihnen sogar mit VR-Technologie. Andere wiederum greifen beispielsweise auf Auto-Konzerte zurück oder setzen verstärkt auf Werbung. Nichtsdestoweniger zehrt die Corona-Krise sowohl an den Nerven als auch an den Sparreserven der Betroffenen. Wer nicht Hartz IV beantragen möchte, dem bleibt nur noch der Branchenwechsel. Dies führt zu einem personellen Aderlass, der die Kulturbranche nachhaltig zu schröpfen droht. Exemplarisch hierfür stehen die sogenannten „Roadies“ bzw. bei Konzerten mitreisende Veranstaltungstechniker, weil von Förderprogrammen nicht hinreichend erfasst. Damit das Fundament einer ganzen Branche keine langfristigen Schäden erleidet, sollten deshalb auch wir, die Fans, uns darüber Gedanken machen, mit welchen Maßnahmen wir dieser Entwicklung entgegensteuern können.

Die Macht des Crowdfundings: Der Fan als „Business Angel“

Zahlreiche Kulturschaffende – darunter Musiker, Opernhäuser, Theater bzw. Veranstalter – haben es geschafft, ihre Events im digitalen Raum bereitzustellen. Dabei wären sichere Veranstaltungen auch in geschlossenen Räumlichkeiten möglich, so die Ergebnisse einer Corona-Studie im Rahmen eines Testkonzerts des Sängers Tim Bendzko im August. Demnach seien die Einhaltung der Hygieneregeln – mit festen Laufwegen und Platzabständen – sowie ein durchdachtes Lüftungssystem ausschlaggebend. Das Problem: Für die Belüftungskonzepte fehlt es an finanziellen Kapazitäten. Investitionen von Bund und Ländern könnten hier für Abhilfe sorgen. Grundsätzlich wünschen sich Kulturschaffende von der Politik mehr Vertrauen sowie vor allem mehr Bereitschaft zum Dialog. Viele von ihnen werfen ihr vor, dass sie lieber über ihre Branche als direkt mit ihnen rede. Wenn es um die Finanzierung von konkreten Projekten oder von Künstlern im Allgemeinen geht, können jedoch auch die Fans behilflich sein. Diese könnten häufiger kostenpflichtige Streaming-Angebote wahrnehmen oder auch mehr Schenkungen oder Spenden tätigen. In Deutschland immer populärer wird diesbezüglich das sogenannte „Direct-to-Fan-Business“. Der Fan wird hier zum Förderer bzw. zum „Business Angel“ seines Lieblingskünstlers.

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Viele Deutsche besitzen ein Monatsabo bei Streaming-Anbietern wie beispielsweise Amazon oder Netflix. Nach ähnlichem Prinzip kann man mit einem geringen monatlichen Beitrag auch Kulturschaffende unterstützen. Möglich macht es zum Beispiel die US-amerikanische Crowdfunding-Plattform Patreon, die derzeit einen rasanten Mitgliederanstieg zu verzeichnen hat. Das Ziel solcher Plattformen ist es, Künstlern ein regelmäßiges Einkommen zu gewährleisten. Dabei kombinieren die Plattformen geschickt monatliche Spenden mit dem Geld-gegen-Ware-Prinzip, was bedeutet, dass die Spender unter anderem durch einen Zugriff auf exklusive Inhalte bzw. durch Interaktionsmöglichkeiten mit dem Künstler profitieren. Eine Alternative zu Patreon ist die deutsche Crowdfunding-Plattform getnext. Der Vorteil von getnext: Zusätzlich zum Abo-Prinzip können Künstler ihre Inhalte auch direkt auf eigene Rechnung verkaufen. Darüber hinaus werden sämtliche Daten auf deutschen Servern gespeichert. Welche Crowdfunding-Plattform auch bevorzugt wird, sie hilft dabei, dass sich Fans und Kulturschaffende näherkommen und eine professionelle Nähe zueinander aufbauen können. Solche Plattformen könnten also ein erster Schritt sein, um in unserer Gesellschaft ein nachhaltiges Umdenken zum Wohle der Kulturbranche anzustoßen. Das sage ich Ihnen sowohl als begeisterter Musik-Fan als auch als selbst in der Freizeit tätiger Hobby-Musiker.

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