Wo Individuen mit verschiedenen Persönlichkeiten aufeinandertreffen, kann schnell ein Konflikt entstehen. Das liegt in unserer Natur. Gerade im Studium kann das jedoch sehr nerven- und zeitraubend sein. Wir zeigen Dir in dieser Beitragsreihe, wie Du Konflikte frühzeitig erkennst, sie löst und was Du zur Konfliktprävention tun kannst.
Was ist ein Konflikt?
Jeder Mensch hat verschiedene Werte und Vorstellungen von dem, was richtig oder falsch ist. Faktoren wie z.B. die Erziehung, das Umfeld oder der kulturelle Background eines Menschen prägen unsere Einstellung bezüglich dessen, was sich gehört und was nicht. Sobald unterschiedliche Ansichten aufeinanderprallen, können Konflikte entstehen. Da Konflikte in den meisten Fällen jedoch für alle Beteiligten belastend sind, gilt es diese frühzeitig zu erkennen und zu lösen.
Viele Konflikte bahnen sich langsam an. Sie beginnen mit einer unterschwelligen Anspannung und geben den Beteiligten das Gefühl, dass etwas nicht stimmen könnte. Das drückt sich oft in der Kommunikationsweise aus. Reden hinter vorgehaltener Hand, aktives Ignorieren oder zunehmendes Desinteresse können beispielsweise Anzeichen für einen sich anbahnenden Konflikt sein. Gerade bei Gruppenarbeiten solltest Du ein Gespür dafür entwickeln, wann sich die Art der Kommunikation verändert. Je öfters Du mit den gleichen Menschen in einem Team arbeitest, desto feinfühliger wirst Du für Spannungen in der Gruppe.
SPECTRUM Tipp: Das bedeutet jedoch nicht, dass jede Veränderung in der Kommunikation auf einen Konflikt hindeuten muss. Ob es sich wirklich um einen Konflikt handelt, solltest Du aktiv herausfinden bevor es zu einer neuen Eskalationsstufe kommt.

Eskalationsstufen
Der österreichische Konfliktforscher Friedrich Glasl hat ein Modell zur Konfliktlösung entwickelt und dabei Konflikte in neun verschiedene Eskalationsstufen auf drei Ebenen eingeteilt. Je tiefer die Eskalationsstufe, desto unmenschlicher werden dabei die Methoden der Kontrahenten, um einen Sieg zu erringen. Konflikte, die eine bestimmte Phase erreicht haben, können nicht mehr ohne Hilfe von außen gelöst werden. Das Modell passt auf alle Arten zwischenmenschlicher Konflikte – vom Streit im Kindergarten über Ehekrisen bis zu politischen Konflikten verschiedener Staaten.
Ebene 1: Win-Win
- Verhärtung: Erste Spannungen sind spürbar. Ein Konflikt bahnt sich langsam an. Es kommt immer wieder zu Meinungsverschiedenheiten.
- Debatte: Die Konfliktparteien versuchen sich gegenseitig von ihrer Meinung zu überzeugen und unter Druck zu setzen.
- Taten statt Worte: der Konflikt verschärft sich. Gespräche werden frustriert abgebrochen und die eigene Meinung soll um jeden Preis durchgesetzt werden. Taten sollen folgen.
Ebene 2: Lose-Win
- Koalitionen: Die Kontrahenten suchen Verbündete und stellen den Konfliktpartner negativ dar, um andere von ihrer Meinung zu überzeugen. Oft tritt in dieser Phase die Meinungsverschiedenheit bereits in den Hintergrund und es geht nur noch um den Gewinn des Konflikts.
- Gesichtsverlust: Angriffe werden direkt und persönlich. Verlust der Moral und des gegenseitigen Vertrauens.
- Drohstrategien: Konkrete Drohungen werden ausgesprochen, um der anderen Partei Macht zu demonstrieren. Radikale Forderungen und Machtspiele sind die Folge.
Ebene 3: Lose-Lose
- Begrenzte Vernichtung: Es wird versucht dem Kontrahenten ernsthaft zu schaden. Der Mensch als fühlendes Wesen gerät in den Hintergrund und wird nur noch als Gegner betrachtet. Jeder Schaden am Gegner wird als Erfolg betrachtet, auch wenn die eigene Partei zu schaden kommt. Die Hauptsache ist, dass der eigene Schaden kleiner ist als der des Gegners.
- Zersplitterung: Der Gegner soll mit allen Mitteln zerstört werden. Humanität spielt in dieser Phase keine Rolle mehr.
- Gemeinsam in den Abgrund: Der Sieg über den Gegner hat oberste Priorität. Der Gegner wird mit in den Abgrund gerissen und die eigene Selbstvernichtung wird in Kauf genommen.
Konflikte der Ebene 1 (Stufe 1-3) können friedlich untereinander gelöst werden. Ab Stufe 4 benötigen die Kontrahenten Hilfe von außen, um ihren Konflikt zu lösen. Hilfe von außen können Freunde, Familie oder auch eine professionelle Moderation sein. Eine außenstehende Person mit neutralem Standpunkt führt dabei vor allem in den frühen Eskalationsstufen zu einer rascheren Lösung des Konflikts. Im Laufe Deines Studiums werden sich wohl die meisten Konflikte (hoffentlich) in der ersten und zweiten Ebene bewegen. Für die weitere Analyse eines Konflikts ist es wichtig, die Art des Konflikts herauszufinden, um damit dem Kern einer Auseinandersetzung auf den Grund zu gehen.

Konfliktarten
Konflikte sind oft sehr individuell und doch gleichen sie sich in vielen Aspekten. Um sie zu verstehen, müssen die verschiedenen Konfliktarten berücksichtigt werden. Es können dabei unterschiedliche Aspekte im Fokus eines Konflikts stehen. Sowohl Ursache und Thema können Auslöser eines Konflikts sein als auch die Konfliktparteien selbst. Die folgenden Konfliktarten werden Dir im Studium am ehesten begegnen.
Sachkonflikte: Eine typische Konfliktsituation in Gruppenarbeiten. Sachkonflikte entstehen aus verschiedenen Perspektiven und Meinungen zu seiner Sache, beispielsweise die richtige Vorgehensweise für die Projektarbeit. Sachkonflikte können in der Regel ohne tiefgehenden Streit gelöst werden, da sie auf sachlicher Ebene stattfinden und idealerweise durch einfache Argumentation gelöst werden können. Sachkonflikte werden erst dann zu einem Problem, wenn auch gleichzeitig emotionale Konflikte mit ausgetragen werden.
Beziehungskonflikte: Nicht immer kommt man mit jedem Menschen klar. Manchmal gibt es Menschen, über die man sich regelmäßig aufregt. Das kann zum Beispiel an deren Auftreten, Verhalten oder Arbeitsweise liegen. Oft entstehen Beziehungskonflikte auch aufgrund einer Vorgeschichte, welche auf gegenseitiger Abneigung beruht, zum Beispiel aufgrund unterschiedlicher Werte oder Charaktereigenschaften.
Rollenkonflikte: In unserem Leben erfüllen wir verschiedene Rollen, z.B. Freund, Partner, Sohn, Mitarbeiter oder Projektleiter. Unsere jeweilige Rolle ist abhängig von unserem Umfeld. An jede dieser Rollen hängen verschiedene Vorstellungen und Erwartungshaltungen. Diese Erwartungen unterscheiden sich im Zusammenleben sehr oft und es entsteht das Gefühl, dass eine Partei seiner Rolle nicht gerecht wird. Es müssen daher Entscheidungen getroffen werden, wie die Rolle definiert wird, um Rollenkonflikte zu vermeiden.

Verteilungskonflikte: Jeder kennt es: das Gefühl von Ungerechtigkeit. Deine Kommilitonin bekommt eine bessere Note, obwohl sie viel weniger geleistet hat als Du. Deine kleine Schwester hat viel mehr Freiheiten als Du es damals hattest. Die empfundene Ungerechtigkeit und das gekränkte Selbstbewusstsein sind für die Entstehung von Verteilungskonflikten verantwortlich. Verteilungskonflikte können in vielen Fällen durch Selbstreflexion, z.B. das Wissen und das vor Augen führen der eigenen Leistungen, gelöst werden.
Bewertungs- und Wahrnehmungskonflikte: Das klassische „aneinander vorbeireden“. Nicht immer werden Aussagen so aufgenommen, wie man es erwartet. Selbst bei gemeinsamen Beschlüssen in einer Gruppe kann es dazu kommen, dass sich in der anschließenden Umsetzung nicht alle einig sind. Jede Partei fühlt sich in dieser Situation selbstverständlich im Recht, da sie nach ihrer Wahrnehmung alles richtig gemacht hat. Zu erkennen, dass es sich bei einem Streit um einen Wahrnehmungskonflikt handelt, kann Dir viel Zeit und Nerven sparen.
Zielkonflikte: Unterschiedliche Ziele innerhalb einer Gruppe führen früher oder später zu einem Konflikt. Dein Teamkollege möchte mit eurer gemeinsamen Hausarbeit unbedingt eine 1,0 schreiben, Dir würde aber auch eine 2,5 reichen? Dann habt ihr einen Ziel- oder auch Prioritätenkonflikt. Zielkonflikte sind schwer zu bewältigen, da sie von den Parteien verlangen, Kompromisse einzugehen.
Fazit
Zu wissen wann und warum es zu Konflikten kommt, hilft Dir dabei, diese aus der Welt zu schaffen. Mit der Analyse eines Konflikts nach Konfliktart und Eskalationsstufe, kannst Du den Konflikt einordnen und bewerten. Das hilft nicht nur, die eigenen Konflikte zu lösen, sondern auch die Konflikte in Deinem Umfeld zu beseitigen. Im zweiten Teil zeigen wir Dir, wie Du Konfliktpunkte erkennst und geben Dir Tipps, wie Du die Konfliktbewältigung meisterst.
SPECTRUM Insight: Du möchtest viel mehr über den zwischenmenschlichen Umgang lernen, weil er Dir hin und wieder schwerfällt? Besonders das Berufsleben wird Dir einige Fähigkeiten in diese Richtung abverlangen. Im Rahmen unseres Traineeprogramms entwickeln wir 1,5 Jahre lang unter anderem Deine Soft Skills weiter. So startest Du beruhigt und mit professioneller Begleitung in die Arbeitswelt.
Mach’s nicht gewöhnlich. Mach’s anders.
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