Scheinbar überall mangelt es an Fachkräften, während die Beschäftigungsquote stagniert. Wenn Unternehmen auf ihre Stellenanzeigen kaum Rückmeldung erhalten, wächst bei Personalern der Druck. Doch sind ausbleibende Bewerbungen nicht nur auf einen leeren Arbeitsmarkt zurückzuführen. Ein Plädoyer für mehr Menschlichkeit und Mut im Recruiting.
Im Recruiting sollte es mehr „menscheln“
Bleiben die Bewerbungen aus, wächst bei Personalern der Druck. Dass dem so ist, hat viele Gründe. So haben besonders Pandemie und Krieg das Denken vieler Erwerbstätiger stark beeinflusst. Heutzutage priorisieren immer mehr Beschäftigte ihr persönliches Lebensglück gegenüber einem Voranschreiten auf der Karriereleiter. Anonyme Stellenanzeigen, ein langwieriger Bewerbungsprozess und ungünstige Arbeitsbedingungen wirken abschreckend. Die Folge ist, dass es Arbeitgebern nachhaltig an Nachwuchs mangelt.
Wie unkompliziert man bei der Talentsuche vorgehen kann, zeigt der Google-Konzern: Laut einem Xing-Interview lege der Tech-Gigant bei Bewerbungen keinen Wert mehr auf Anschreiben, Motivationsschreiben oder Bilder im CV. Stimmt die Qualifikation des Bewerbers, stehe vor allem der Cultural Fit im Mittelpunkt. Hier zeigt sich also, dass im Bewerbungsprozess das Menschliche mehr Gewichtung erhalten sollte. Auf diese Weise lassen sich auch diejenigen Arbeitnehmer abholen, die gerade den Arbeitsmarkt neu für sich entdecken.

Obwohl man allerorts vom Fachkräftemangel redet und dieser auch in vielen Branchen deutlich spürbar ist, stieg die Erwerbstätigenquote (bei den 20- bis 64-Jährigen) in Deutschland jahrelang kontinuierlich an. Dann kam Corona und ein kurzzeitiger Beschäftigungsrückgang. Im Jahr 2021 erreichte die Quote jedoch wieder ihren vorherigen Wert von 79,6 %. Besonders erfreulich: Letztes Jahr gingen mehr ältere Menschen und Frauen einer Erwerbsarbeit nach als noch vor Pandemie-Ausbruch. Es bleibt abzuwarten, ob sich dieser Trend im Jahr 2022 fortsetzt.
Nicht jede Firma, die händeringend nach Mitarbeitern sucht, kann von positiven Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt profitieren. Wenn aussichtsreiche Bewerber abspringen, ist das womöglich ein Zeichen dafür, dass das Recruiting mehr „menscheln“ und persönlicher werden sollte. Oder es fehlt vielleicht am direkten, gleichberechtigten Austausch mit potenziellen Job-Kandidaten – sei es analog oder virtuell? Der Knackpunkt ist: Authentizität und erfolgreiches Recruiting müssen mehr denn je zusammengebracht werden. Wo auch immer sich der Arbeitgeber vermarktet, sein Auftreten muss stets glaubwürdig und zeitgemäß sein – in Abhängigkeit von der jeweiligen Zielgruppe.
Lieber arbeitslos als unzufrieden? Bewerber mit Ausgefallenheit und Mut begeistern
Einige Vertreter der als Generation Y (Millennials) und Generation Z bezeichneten Berufseinsteiger bzw. Berufstätigen werden irgendwann sämtliche Führungskräfte und gesellschaftlichen Schlüsselfiguren von morgen stellen. Es wäre daher überaus ungünstig, wenn diese ihrer sozialen Verantwortung langfristig nicht gerecht werden wollen oder können. Nach einem Blick auf die Ergebnisse des aktuellen „Workmonitor 2022“ von Randstad lässt sich sogar vermuten, dass manche junge Menschen lieber Arbeitslosigkeit in Kauf nehmen würden, als einen ungeliebten Job auszuüben. Dies gaben jedenfalls 40 % der befragten 18- bis 25-Jährigen an.

Natürlich wäre es falsch zu behaupten, junge Beschäftigte hätten keine Lust zu arbeiten. Die absolute Mehrheit von ihnen ist in der Tat lernwillig und räumt ihrem Job einen hohen Stellenwert ein. Was sie jedoch haben, sind andere Ansprüche als etwa ihre Eltern – Stichwort: Work-Life-Balance. Außerdem orientieren sie sich am Mehrwert ihrer Arbeit für sie selbst und für ein größeres Wohl. Ihre Werte wollen junge Talente schon im Bewerbungsprozess erkennen. Neue Erkenntnisse aus dem Neuro-Recruiting bestätigen: Recruiter sollten ihr Unternehmen als Marke begreifen, die bei Jobsuchenden die verschiedensten Emotionen auslösen kann. Hier spielen Einfallsreichtum und Transparenz eine entscheidende Rolle.
Nein, die klassische Stellenanzeige hat noch nicht ausgedient. Sie sollte jedoch unbedingt um neue Bewerbungsformate und Recruiting-Kanäle ergänzt werden. Das heißt zum Einen, dass Personaler originelle Wege im Fachkräfte-Recruiting ausprobieren müssen, um potenzielle Kandidaten unter anderem auf Jobbörsen, Messen, Online-Plattformen oder sogar in Gaming-Welten anzusprechen. Zum Anderen heißt das wiederum, dass Recruiting nicht mit Kreativität und Mikromomenten des Well-Beings sparen sollte. Des Weiteren müssen Anzeigen und Bewerbungsprozesse auffallen, so wie sich Googles Vorstellungsgespräche einst durch besonders knifflige Fragen ausgezeichnet haben. Auf die freche Frage „Warum sind Gullydeckel rund?“ hat die Reaktion von Bewerbern wahrscheinlich mehr über sie oder ihn offenbart als deren Antwort selbst. Recruiting braucht also mehr Mut. Oder wie wäre es einmal mit Humor?
Wir machen aus Talenten Experten!
Bildnachweise für diesen Beitrag:
461395084 © studio v-zwoelf – stock.adobe.com
492540940 © Dragana Gordic – stock.adobe.com