Jeder Mensch ist tagtäglich unzähligen Risiken ausgesetzt, wovon manche zweifelsfrei größer sind als andere. Üblicherweise neigen jedoch Menschen dazu, tatsächliche Gefahren zu unterschätzen und so manches unwahrscheinliche Ereignis hingegen als höchst bedrohlich einzustufen. Das liegt daran, dass wir uns fast ununterbrochen in medialen Echoräumen aufhalten, in denen wir von Gleichgesinnten unsere eigenen Auffassungen und Unsicherheiten bestätigt bekommen. So verstärken sich kurzerhand auch unsere Ängste und Vorurteile. Und obwohl Deutschlands Bürger mittlerweile viel gesünder und risikoärmer leben, als etwa noch vor 50 Jahren, haben die meisten von ihnen den Eindruck, dass ihr Leben heutzutage sogar bedrohter sei – sowohl in der Arbeitswelt als auch im Privaten. Um derartigen Sorgen wirksam zu begegnen, sollten Unternehmen für mehr Vertrauen bei ihren Bewerbern, Kunden und Mitarbeitern sorgen.
Ein Leben ohne Risiko gibt es nicht
Wir leben immer gesünder, länger und sicherer – vor allem in Deutschland. Dies bestätigt nicht nur der international anerkannte Risikoforscher Prof. Dr. Ortwin Renn. Dennoch gilt: In unserer Lebenswelt kann es hundertprozentige Sicherheiten nie geben (außer vielleicht in der Mathematik). Risiken sind somit omnipräsent und graduell zu verstehen, denn manche Ereignisse haben aus den verschiedensten Gründen eine höhere Eintrittswahrscheinlichkeit als andere. Doch Menschen tendieren dazu, diese Wahrscheinlichkeiten grundsätzlich anders einzuschätzen, als die Statistik es tut. Schuld daran sind unter anderem die Medien: Mithilfe von Agenda-Setting (PDF) im Rahmen ihrer Berichtserstattung haben diese die Macht, die Meinungen und Wahrnehmungen ihres Publikums zu beeinflussen. Infolgedessen nehmen Menschen Risiken vor allem dann verzerrt wahr, wenn ihre Vorurteile medial verstärkt wurden und sie zu bestimmten Themen noch keine Erfahrung gemacht oder schlichtweg noch keinen Zugang gefunden haben.
Da Menschen im Laufe ihres Lebens immer wieder höchst unwahrscheinliche Dinge erleben, bestätigt dies ihren Glauben, dass auch etwas überaus Unwahrscheinliches jederzeit eintreten könnte – insbesondere, wenn es vom Zufall abhängt. Jedoch gibt es im Alltag millionenfach unwahrscheinliche Ereignisse, von denen nur die allerwenigsten jemals Wirklichkeit werden. Die Überzeugung, dass sie dennoch wahr werden, ist auch eine Konsequenz des sogenannten Confirmation-Bias. Bereits eingetretene unwahrscheinliche Ereignisse bestätigen hierbei die eigene Gewissheit, dass sich Ähnliches in absehbarer Zukunft wiederholen könnte. Vor allem bei uns unbekannten Sachverhalten sind wir darauf angewiesen, nach Warnungen bzw. Entwarnungen Anderer Ausschau zu halten. Wem es zudem schwer fällt, seinen Mitmenschen zu vertrauen, der sucht nach absoluten Gewissheiten – vergeblich.
Starke Sicherheitsbedürfnisse in einer komplexen Welt
Unsere Welt wird zunehmend komplexer und unübersichtlicher, wodurch sie auch anfälliger für Probleme wird. Auswirkungen einzelner Vorfälle können plötzlich über eine lange Kette an Abhängigkeiten unerwartete Vulnerabilitäten offenlegen. Solche systemischen Risiken können unter Umständen zu einem Verlust lebenswichtiger Funktionen bzw. Leistungen einer gesamten Gesellschaft führen. Nur wenige Menschen besorgt dies jedoch. Was sie unmittelbar erleben können, wirkt auf sie ungleich bedrohlicher als Ereignisse, die sich ihnen nur indirekt bzw. mit Zeitverzögerung erschließen. Doch obwohl für das Individuum gesundheitliche Risiken, die sich unter anderem durch den Konsum von Alkohol, Bewegungsmangel, falsche Ernährung und Rauchen erhöhen, am bedrohlichsten sind, haben viele Deutsche eine größere Angst vor Kontrollverlust. Dieses – im Ausland als „German Angst“ bekannte – typisch deutsche Sicherheitsstreben hat viele Ursachen.
Forscher vermuten: Auslöser für das ausgeprägte Sicherheitsbedürfnis vieler Deutschen könnten unter anderem negative Erlebnisse der Vorfahren im Rahmen der beiden Weltkriege sein. Die Traumaforscherin Ulrike Schmidt vom Max-Planck-Institut in München geht hierbei von einer sogenannten „transgenerationalen epigenetischen Vererbung“ von intensiven Stresserlebnissen aus. Doch ein starkes Bedürfnis nach Sicherheit kann auch andere Ursprünge haben: Weil Menschen nur im begrenzten Maße kognitiv leistungsfähig sind, müssen sie ihre Lebenswelt ständig vereinfachen, weswegen sie beispielsweise Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge gerne mit örtlicher und zeitlicher Nähe kombinieren, was natürlich häufig zu Fehleinschätzungen führt. Das liegt auch daran, dass Menschen üblicherweise mehr Angst vor Unsicherheit als vor konkretem Schaden haben, denn wenn sie eine Gefahr nicht kennen, wissen sie nicht, wie sie im Falle eines Falles reagieren sollen. Unsicherheit sowohl in der Arbeitswelt als auch im Privaten kann somit eine permanente Stressquelle sein, die nicht nur zu übervorsichtigem Handeln, sondern sogar zu kollektiver Hysterie führen kann.
Glaubwürdigkeit und Vertrauen stärken
In Zeiten der Post-Glaubwürdigkeit fördert es maßgeblich den eigenen Unternehmenserfolg, bei Bewerbern, Kunden und Mitarbeitern ein hohes Vertrauen zu genießen. Daher sollte es das Ziel jeder Firma sein, wie auch immer geartete Unsicherheiten bei diesen zu reduzieren, um nachhaltig Vertrauen zu schaffen. Da menschliches Vertrauen jedoch einem Reifeprozess unterliegt, ist hierfür eine gelegentliche Abweichung vom unternehmerischen Optimierungsstreben empfehlenswert.
Vertrauen kann erlernt bzw. bekräftigt werden, wobei folgende Maßnahmen helfen können:
- Authentische und offene Kommunikation fördern
- Konfrontation mit Unbekanntem suchen
- Konstruktive Fehlerkultur betreiben
- Positive und negative Informationen teilen
- Transparenz zulassen
- Verbindlichkeiten einhalten
- Vertrauensvorschuss gewähren
- Vielfalt fördern
Wir bei SPECTRUM wissen: Insbesondere durch effektives Employee Engagement lässt sich unternehmensinternes Vertrauen erzeugen, welches wiederum den Zusammenhalt zwischen den Mitarbeitern stärkt und gleichzeitig die Komplexität sämtlicher Firmenprozesse senkt. Eine wesentliche Strategie kann hierbei sein, auch das Selbstvertrauen der Mitarbeiter zu stärken, um damit deren generelles Vertrauen zu erhöhen. Sammelt ein Beschäftigter in seinem Arbeitsalltag nämlich nachhaltig positive Erfahrungen, so wirkt sich dies auch förderlich auf seine Umweltwahrnehmung aus. Ferner sollten Ängste und Unsicherheiten offen thematisiert werden, damit die Mitarbeiter gelassener mit ihnen umgehen können. Nichtsdestotrotz gilt jedoch: Gesundes Vertrauen kennt Grenzen.
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