Schon lange Zeit im Voraus wurde sie erwartet. Jetzt ist sie da, die Inflation. Und ja, dass sie auch hierzulande Fahrt aufnehmen würde, war abzusehen – Betriebsschließungen, Lieferengpässe, steigende Preise und wachsende Staatsschulden haben ihr sprichwörtlich den Weg geebnet. Immerhin steht Deutschland im europaweiten Vergleich gar nicht so schlecht da. Doch könnte die Inflation länger andauern, als bisher vermutet. Entscheidend ist, dass Politik und Wirtschaft jetzt gleichermaßen an den richtigen Stellschrauben drehen, um die Ursachen der Inflation, insbesondere den Fachkräftemangel, abzumildern. Dieser wird nämlich Jahr für Jahr stärker seinen Tribut fordern.
Das Comeback der Inflation oder ein absehbares Wiedersehen
Die Inflation hat ihr Comeback geschafft – nicht nur hierzulande, sondern europaweit. Laut Statista ist die Inflationsrate in Deutschland von -0,3 % im November 2020 innerhalb eines Jahres auf satte 5,2 % gestiegen. Im europaweiten Vergleich hat Litauen mit 8,2 % die höchste und die Schweiz mit 1,3 % im Oktober 2021 (gegenüber dem Vorjahresmonat) wiederum die niedrigste Rate vorzuweisen. Kein Vergleich sind diese Zahlen hingegen zur Inflationsrate Venezuelas von 2.700 % (gegenüber dem Vorjahr). Dennoch ist für viele Unternehmen und Verbraucher der steigende Wertverlust des Gelds auch hierzulande schon spürbare Realität geworden. Wie konnte es dazu kommen? Die Ursachen der gegenwärtigen Inflation sind breit gestreut. Zu nennen sind nicht nur vorausgegangene krisenbedingte Staatsverschuldungen, Lieferengpässe und die allgemeine wirtschaftliche Rezession, sondern auch der demografische Wandel, der Fachkräftemangel und die sich aktuell abzeichnende „Greenflation“. Natürlich sind wir noch weit entfernt von der Hyperinflation im Jahr 1923 oder der Ölkrise in den 1970er-Jahren. Dennoch ist die Vielfalt an Auslösern der aktuellen Inflation beispiellos.

Zunächst erholte sich die globale Wirtschaft durch den Erfolg der Impfstoffe recht schnell. Doch die Pandemie-bedingten Einschränkungen haben ihre Spuren hinterlassen. Laut aktuellem „DIHK-Report Fachkräfte 2021“ (PDF) des Deutschen Industrie- und Handelskammertags hätten 59 Prozent der befragten Unternehmen angegeben, dass der Fachkräftemangel für sie mittlerweile wieder das größte Geschäftsrisiko sei. 51 Prozent von ihnen berichteten, für offene Stellen zumindest teilweise keine passenden Arbeitskräfte zu finden. Betroffen sind unter anderem die Hotel-, die Gesundheits- und die Gastrobranche sowie die Bauwirtschaft. Betriebe, die Pandemie-bedingte Schließungen erdulden mussten, haben derzeit besonders mit dem Mangel zu kämpfen. Infolgedessen verschärfte sich der „War for Talents“ und ein Teufelskreis entstand: Weil Fachkräfte fehlten, stiegen die Löhne, wodurch sich die Arbeitskosten für Unternehmen erhöhten. Gleichzeitig gab es Lieferprobleme, welche die Produktionskosten hochtrieben und die Angebotsvielfalt sinken ließen – ungünstige Ausgangsbedingungen für die wachsende Menge an Verbrauchern, die im Rahmen von Corona-Lockerungen wieder vermehrt konsumierte. Hinzukamen staatliche Konjunkturprogramme und eine Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank. Das Ergebnis ist eine Inflation, die nicht nur „importiert“ ist, sondern gleich auf mehrere Dimensionen abstellt:
Wichtig ist, dass es der Inflation – welche Ursprünge sie auch hat – nicht gelingt, das Wirtschaftswachstum abzuschwächen. Hierfür müssen Politik und Wirtschaft prospektiv auf den Alterungsschub der Gesellschaft und den darauf aufbauenden Fachkräftemangel reagieren.
Der Fachkräftemangel darf nicht die Wertschöpfung ausbremsen
Laut Deutschem Industrie- und Handelskammertag gibt es zahlreiche Maßnahmen, wie Politik und Wirtschaft der Wachstumsbremse Fachkräftemangel – und damit auch dem demografischen Wandel – nachhaltig entgegenwirken können. Zu bewerkstelligen sei dies unter anderem durch:
- die bessere Vereinbarkeit von Arbeit und Familie,
- die Erleichterung der Fachkräftezuwanderung mitsamt Sprachförderung,
- die Förderung von Berufsschulen und Schulen durch technisch bessere Ausstattung sowie bessere Arbeits- und Lernbedingungen,
- die Förderung der Weiterbildung durch Steuererleichterungen, Bildungsprämien und das Akkreditieren informeller Kompetenzen sowie
- die Stärkung der Berufsorientierung durch frühzeitige betriebliche Praktika sowie durch mehr Ausbildungs- und Berufsberatung via Internet.

Um dem Fachkräftemangel wirksam die Stirn zu bieten, darf kein Jugendlicher und kein Erwachsener bildungstechnisch auf der Strecke bleiben. Doch leider gibt es viele Gründe, warum die soziale Herkunft in Sachen Bildung immer noch eine Rolle spielt. Umso wichtiger ist es daher, dass Staat und Unternehmen Brücken bauen und sich für mehr Bildung bzw. Weiterbildung für jeden Menschen, in jedem Lebensalter und in jeder Lebenssituation stark machen. Dies gilt insbesondere für Menschen mit Behinderung, gehobenen Alters, mit Lernschwäche, mit Migrationshintergrund und mit niedrigem sozioökonomischen Status.
Um den Fachkräftemangel zu stoppen, brauche es in Deutschland eine jährliche Netto-Zuwanderung von 400.000 Arbeitskräften, so das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Angesichts des aktuellen Trends zur Deglobalisierung wird dies kaum zu schaffen sein. Gerade ausländische Fachkräfte sind Pandemie-bedingt vermehrt in ihre Heimatländer zurückgekehrt. Ferner sind viele Unternehmen bereits damit beschäftigt, ihre Liefer- und Produktionsketten neu einzurichten – beispielsweise unter Zuhilfenahme sogenannter „intelligenter Lieferketten“ – und ihre Geschäftskonzepte in Richtung Nachhaltigkeit und Umweltschutz umzubauen. Indessen wird sich der Fachkräftemangel immer weiter verschärfen, weil auch der demografische Wandel immer stärker ins Gewicht fallen wird. Deswegen ist anzunehmen, dass zwar die Inflationsrate in Deutschland im nächsten Jahr zunächst wieder etwas absinken wird, doch könnte sie sich dann auf einem bestimmten Plateau festsetzen. Wieviel CO2-Abgaben und der Klimaschutz hierzu beitragen werden, bleibt abzuwarten. Sicher ist jedoch, so Prof. Bert Rürup, Präsident des Handelsblatt Research Institute (HRI), dass, wenn in vielen Branchen der Arbeitsmarkt leer gefegt bleibt, die Gewerkschaften den „kräftigen Schluck aus der Pulle“ bekommen werden, den sie derzeit einfordern. Das wird die Krise natürlich nicht lösen, sondern sie lediglich auf unbestimmte Zeit verschieben.
Wir machen aus Talenten Experten!
Bildnachweise für diesen Beitrag:
254209303 © NDABCREATIVITY – stock.adobe.com
48586698 © MichaelJBerlin – stock.adobe.com