Das Streben der Versicherungsbranche die junge Generation als Kunde zu gewinnen

An den Händen gefesselte Frau wird von einem Seil gehalten.

Mit dem Thema Versicherungen beschäftigen – für die jungen Generationen ein notwendiges Übel. Hatten die Versicherungen oder Makler in der Vergangenheit noch regelmäßig Kontakt mit ihren Kunden, haben die jungen Menschen keinen Nerv mehr für zeitaufwendige Kundenbeziehungen. Die Digitalisierung beschleunigt unser aller Leben und besonders der Nachwuchs hat keine Zeit, um sich lang mit irgendetwas zu beschäftigen. Alles muss schnell gehen, innerhalb von Sekunden erfassbar sein und am besten über das Smartphone geregelt werden können. Die Kommunikation hat sich verändert. Den Computer anschmeißen, um eine E-Mail zu beantworten – das machen höchstens noch die Eltern dieser Generation.

Die Notwendigkeit von Versicherungen ist dem Großteil der jungen Menschen bewusst, doch mit einem Makler auseinandersetzen wollen sie sich nicht. Sie schieben es vor sich her. Man könnte fast den Eindruck gewinnen, dass sie hoffen, es würde schon alles gut gehen. Misstrauen, Desinteresse oder Überforderung? Hinzu kommt, dass vielen am Ende des Monats noch wenig finanzieller Spielraum bleibt, um beispielsweise für das Alter vorzusorgen. Mit Schuld daran sind die immens hohen Wohnungsmieten. Besser wird die Situation allerdings auch in Zukunft nicht werden: Das Leben wird teurer, das Geld verliert an Wert, … ein Teufelskreis!

Zum Glück ist der Markt transparent geworden. Der „Übeltäter“ ist das Internet. Und wer kann es besser nutzen als die Generation Smartphone? Schnell mal auf einem Vergleichsportal informiert und verschiedenste Versicherungen verglichen: Sache schneller erledigt als gedacht. Oft stehen zwar nach wie vor die Eltern oder Freunde mit Rat zur Seite, doch das ändert am digitalen Verhaltenswandel auch nichts.

Junger, bärtiger Mann mit Smartphone.

Als Reaktion auf Entwicklungen wie diese ist ein Wandel im Handeln der Versicherungsbranche zu beobachten. Versicherungsunternehmen und Makler versuchen mehr und mehr, sich auf die junge Generation einzustellen und ihnen den Zugang zur Welt der Absicherung zu erleichtern. Das vermeintliche Geheimrezept: Digitale Angebote, beispielsweise in Form von Apps. Darüber hinaus wird versucht mit auf jung getrimmten Social Media Präsenzen Aufmerksamkeit zu erlangen. Doch der digitale Wandel fordert mehr.

Erste Lösungsansätze erscheinen in Form sogenannter Vitality-Programme. Dabei handelt es sich um Gesundheits-Bonusprogramme. Gemeinsam mit dem Kunden werden persönliche Gesundheitsziele gesetzt, die durch entsprechende Aktivität erreicht werden sollen. Dokumentiert wird das Ganze bspw. über eine App. Als Belohnung gibt es Punkte, die wiederum in Boni, d.h. Beitragsrabatte, umgemünzt werden. Je aktiver ein Kunde, desto höher also sein Rabatt. Das Ziel: eine gesündere Gesellschaft. Dass dieses allerdings dem eigentlichen Sinn einer Versicherung widerspricht, sei einmal dahingestellt.

Zudem beginnt ein US-Onlineversicherer gerade den deutschen Markt zu revolutionieren. Das Unternehmen Lemonade versetzt ansässige Versicherer in Aufruhr. Das Konzept: Auf menschliche Berater wird komplett verzichtet. Der Kunde kommuniziert mit Bots, egal ob bei einem Policen-Antrag oder einer Schadenmeldung – alles funktioniert automatisiert. Die Vorteile liegen auf der Hand: Günstige Raten und Abschlüsse über nur wenigen Klicks stehen den aufwendigen Prozessen anderer Versicherer gegenüber. Kein Wunder also, dass der ein oder andere deutsche Konkurrent schon in der aktuellen Testphase Unterstützung bietet, um nicht abgehängt zu werden, sondern auch ein Stück vom Kuchen abzubekommen. Nur in Bezug auf beispielsweise Lebensversicherungen können sie sich aktuell noch einigermaßen sicher fühlen, denn die volldigitalisierten Vertriebswege und die komplizierte Rechtslage in Deutschland machen es den neuen Versicherern nicht gerade einfach. Allerdings ist es wohl nur eine Frage der Zeit, bis sich das ändert.

Ein junger Mann nutzt sein Smartphone am Arm als Mp3-Player beim Joggen.

Wer weiterhin am Markt bestehen will, muss sich also von konservativen Denkweisen lösen und sich in eine digitale Transformation begeben, die nicht nur aus Kommunikation über digitale Kanäle besteht, sondern auf einer leistungsfähigen IT basiert. Wichtig hierbei ist jedoch zu begreifen, dass eine App oder andere vergleichbare Angebote keine Instrumente sind, die sich zur Neukundengewinnung eignen. Maßnahmen wie diese müssen vielmehr in das bestehende, auf die junge Zielgruppe ausgerichtete, Beratungs- und Dienstleistungsumfeld eingebunden werden. Wer agil genug ist und das Know How sowie die Power hat, Daten richtig einzusetzen, wird zweifellos zu den Gewinnern zählen.

Und genau hier kristallisiert sich eine weitere Herausforderung der Versicherungen heraus. Ein großes Problem ist die vorherrschende Überalterung in ihren Unternehmen. Mit einem Altersdurchschnitt um die 50 Jahre und fehlenden IT-Fachkräften fällt die Entwicklung hipper Lösungen schwer. IT-Nachwuchskräfte müssen her – und zwar am besten schon heute oder sogar gestern. Angesichts des akuten Fachkräftemangels gestaltet sich dies jedoch schier unmöglich. Doch innovative Lösungen zur Bewältigung dieser Herausforderung gibt es. Mehr dazu auch in unserem Beitrag Ist unser Personal zukunftsweisend digital? Fachkräftemangel durch Digitalisierung.

Fraglich ist bei all diesen Entwicklungen, ob die junge Generation sich tatsächlich wohl fühlt, wenn sie Versicherungen über Vergleichsportale oder Apps abschließen soll. Im Falle einer Kfz- oder Haftpflicht-Absicherung mag das schnelle und offensichtlich günstigere Konzept nahezu unschlagbar sein, doch wie sieht es aus, wenn es um die eigene Altersvorsorge oder Geldanlagen geht? Jemanden an seiner Seite zu haben, der Ahnung hat, kommt einem in diesen Fällen irgendwie sicherer vor, oder nicht? Auch wenn diese Person einem genauso etwas vom Pferd erzählen kann, wie jedes Online-Angebot. Aber das ist ein anderes Thema …

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