Das deutsche Bildungssystem im 21. Jahrhundert: Brauchen wir digitalisierte Schulen?

Schülerinnen und Schüler mit Tablet und Laptop im digitalen Klassenzimmer.

Der digitale Wandel verändert nicht nur unsere Arbeits- und Lebensgewohnheiten, sondern hält auch in den Schulen nach und nach Einzug. Wenn es um die Digitalisierung unseres Bildungssystems geht, driften die Meinungen weit auseinander. Man kann von einem regelrechten Kulturkampf sprechen, wenn Technik-Optimisten lamentieren, dass das Bildungswesen den Anschluss an die Digitalisierung verpassen würde, während Technik-Skeptiker digitales Lernen generell als problematisch einstufen. Wir sollten uns jedoch vielmehr die Frage stellen: Welche Kompetenzen müssen junge Menschen durch unser Schulsystem vermittelt bekommen, damit sie in der Welt von morgen erfolgreich bestehen können? Zweifelsfrei sollten sie in der Lage sein, mit digitalen Medien kritisch umzugehen. Doch das ist noch längst nicht alles.

Schein oder Sein? Zwischen digitalisiertem Unterricht und PISA-Studie

In Deutschland glauben viele Menschen, dass unser Bildungssystem im internationalen Vergleich eine Spitzenposition einnimmt. Leider deckt sich diese Überzeugung nicht mit den deutschen Ergebnissen der PISA-Studie von 2015. Bei der Studie wurden insgesamt 600.000 Schülerinnen und Schüler aus 71 Ländern befragt. Die Untersuchung ergab, dass die Hälfte der weltweit getesteten 15-Jährigen grundlegende Probleme beim Lösen von Lese-, Mathematik- bzw. naturwissenschaftlichen Aufgaben hatte. Ferner wurde herausgefunden, dass die materielle Ausstattung einer Schule nicht zwangsläufig ein Garant für den Lernerfolg ihrer Schüler war. Was müssen deutsche Schulen also besser machen, um ihre Schützlinge optimal auf die Zukunft vorzubereiten?

Ob nun gut oder schlecht, schon längst wurde im deutschen Bildungssystem das Ende der „Kreidezeit“ eingeläutet. Digitale Assistenten bzw. Geräte wie Laptops oder Tablets gehören mittlerweile bereits zur Standardausstattung in so manchen deutschen Klassenzimmern. In immer mehr Schulen wird der digitale Unterricht salonfähig. Eine Vielzahl innovativer Programme wird ausprobiert und im Rahmen des generellen „Strukturwandels der Berufslandschaft verändert sich auch das Berufsbild der Lehrkraft. Diese wird zukünftig womöglich eher die Rolle eines Beraters bzw. Moderators einnehmen – zum Wohle neuartiger partizipativer Wege des Lehrens und Lernens. Idealerweise sollen sich dadurch völlig neue Chancen der individuellen Förderung von Schülerinnen und Schülern ergeben.

Ein Vorteil der Nutzung digitaler Medien im Unterricht ist, dass den Schülern im besonderen Maße ein Flow-Erleben beim Lernen ermöglicht werden könne. Dieses wirke sich nicht nur positiv auf den Lernerfolg, sondern auch auf das Wohlergehen derselbigen aus. Die Digitalisierung des Klassenraums gestatte demnach eine individuellere Gestaltung des Lehrplans, wodurch ein breiteres Spektrum an Fähigkeiten aufseiten der Schüler anerkannt und gefördert werden könne. Inwiefern digitale Lehr- und Lernmittel in absehbarer Zukunft tatsächlich individuelle Entwicklungspotenziale begünstigen werden, bleibt abzuwarten. In diesem Zusammenhang sollten jedoch nicht nur logisch-mathematische und verbale Kompetenzen, sondern auch intrapersonale, kinästhetische, musikalische und visuelle Fähigkeiten gefördert werden.

Staatlich gesetzte Erziehungsideale und Problemstellungen

Das menschliche Bewusstsein kann man als eine Art ständigen Strom von Empfindun-gen und Gedanken verstehen, in welchem Eindrücke und Erinnerungen permanent um Aufmerksamkeit ringen. Bei Kindern und Jugendlichen befindet sich dieser Strom in einem noch relativ ungeordneten und zufälligen Zustand. Es ist daher die Aufgabe der Lehrer, Heranwachsenden diesbezüglich eine gewisse Struktur zu vermitteln, in-dem sie ihnen zeigen, wie sie in ihrer chaotisch und kompliziert anmutenden Welt mithilfe von Analogien, Bildern und Worten Ordnung schaffen können. Dabei sollen diese sich gleichsam frei entfalten dürfen und zur Eigenständigkeit und Mündigkeit erzogen werden.

Da das bundesdeutsche Bildungssystem, um den Anforderungen der Digitalisierung gerecht werden zu können, klar formulierte Ziele und eine länderübergreifende inhaltliche Ausrichtung braucht, verabschiedeten die Kultusminister der Länder im Jahre 2018 eine Strategie zur „Bildung in der digitalen Welt“ (PDF). Darin legten sie fest, dass Schülerinnen und Schüler ab dem Schuljahr 2018/2019 insgesamt 6 Kompetenzen bis zum Ende ihrer jeweiligen Pflichtschulzeit fächerübergreifend vermittelt bekommen sollen:

  • Analysieren und Reflektieren (Ziel: Kritisches Bewusstsein für Umgebungen)
  • Kommunizieren und Kooperieren (Ziel: Wissensvermittlung und Teamdenken)
  • Problemlösen und Handeln (Ziel: Selbstständige Handlungskompetenz)
  • Produzieren und Präsentieren (Ziel: Kreativität und Selbstdarstellung)
  • Schützen und sicher Agieren (Ziel: Schutz von Daten, Gesundheit und Umwelt)
  • Suchen, Verarbeiten und Aufbewahren (Ziel: Generierung von Wissen)

Verlassen sich Bildungseinrichtungen allerdings zu sehr auf digitale Medien, laufen Kinder und Jugendliche Gefahr, ihre Autonomie allmählich preiszugeben. Zwar sehen auch die Kultusminister die Etablierung einer digitalkritischen Pädagogik vor, jedoch sind die Lehrer ausschlaggebend, wenn es um den Aufbau eines kritischen Bewusstseins gegenüber digitalen Technologien bei Heranwachsenden geht.

Deutschland – einst das Land der Dichter und Denker – muss seine Schulen auf das digitale Zeitalter vorbereiten. Gleichzeitig sollten Schülerinnen und Schüler zu autonomen, mündigen und an Gesellschaft und Politik teilhabenden Individuen erzogen werden, wofür ein kompetenter und reflektierter Umgang mit den digitalen Errungenschaften unserer Zeit unabdingbar ist. Ich bin davon überzeugt, dass das deutsche Bildungssystem nach wie vor zu den besten der Welt gehört und sicherlich bietet die Nutzung digitaler Elemente in der Unterrichtspraxis eine Reihe von Vorteilen. Damit dies auch so bleibt, sollte der Fokus unseres Schulsystems jedoch auf der Vermittlung von analytischer, kreativer und sozialer Kompetenz sowie von Selbstkompetenz liegen:

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