Die Globalisierung als Auslaufmodell? Über die Chancen der Regionalisierung von Wirtschaft

4 min. read
Wuerfel mit aufschrift think global local wird von Hand geaendert

Im Jahr 2022 steht die Globalisierung mehr denn je auf dem Prüfstand, während die Regionalisierung von Wirtschaftsstrukturen im Trend liegt. Brexit, Pandemie und Ukraine-Krieg haben ihre Spuren hinterlassen, indem sie unerwartet Engpässe, Kostensteigerungen und wirtschaftliche Unsicherheit mit sich brachten. Für viele Unternehmen ist die Absicherung der Supply Chain heutzutage wichtiger geworden als der bloße Gewinn. Denn ein starker in der Region verankerter Wirtschaftskreislauf verspricht mehr Resilienz in Krisenzeiten als ein solcher, der auf globalisierte Strukturen angewiesen ist. Die Deglobalisierung schreitet jedoch auch voran, weil Unternehmen in einzelnen Regionen ungeahnte Chancen erkennen.

Die Region als resilienter Wirtschaftsraum

Im Zuge der Industrialisierung unserer Welt galt einmal die Maxime: Je globaler, desto kostengünstiger und besser. Die Anzahl der Waren stieg und mit ihr auch die Distanzen, die zur Produktion und Lieferung derselbigen zurückzulegen waren. Die Globalisierung mit ihrem kosmopolitischen Denken erlebte eine Blütezeit. Was dann folgte, war kaum vorhersehbar: Es kamen der Brexit, die Pandemie und der Ukraine-Krieg und mit ihr gingen (und gehen) – je nach Branche – mehr oder weniger starke wirtschaftliche Verluste und Unsicherheiten einher. Der alte Glaubenssatz bekam also Risse, denn die Globalisierung schien die Phase der Höchstkonjunktur überschritten zu haben. Daraufhin begannen immer mehr Unternehmen, sich zu fragen, welche unerwarteten Entwicklungen wohl noch bevorstehen würden. Insbesondere global agierende Firmen mussten nun zunehmend ihre international aufgestellten Liefer- und Wertschöpfungsketten überdenken. Es verwundert somit nicht, dass bereits zu Beginn der Corona-Krise von vielen Seiten vom gestiegenen Wert des Lokalen gesprochen wurde. Heute weiß man: Ungeachtet der weltweiten Geschehnisse lässt sich ein Mindestmaß an internationaler Arbeitsteilung zwar stets gewährleisten, eine Regionalisierung von Wirtschaftsstrukturen verspricht jedoch wesentlich zuverlässiger zu sein. Und das ist natürlich in jedermanns Interesse.

Banner Resilienz Online-Seminar und Whitepaper

Internationale Verflechtungen verlieren auch im Jahre 2022 sukzessive an Attraktivität. Das liegt daran, dass unvorteilhafte Abhängigkeiten – vor allem in Sachen Energie und Rohstoffe – zunehmend in den Fokus von Wirtschaftslenkern geraten. Als besonders problematisch wird dabei eingestuft, wenn Deutschland beispielsweise bei Ressourcen wie Erdgas und Erdöl auf einige wenige ausländische Akteure angewiesen ist. Eine Regionalisierung der Supply Chain mithilfe von wirtschaftsrelevanten Clustern – einem Netzwerk unter anderem von Bildungsstätten, Dienstleistern, Forschenden, Produzierenden, Verwaltungsbehörden und Zulieferern – verspicht, hier Abhilfe zu schaffen. Sich bei der wirtschaftlichen Ausrichtung des eigenen Betriebs mehr auf inländische Regionen zu konzentrieren, liegt derzeit im Trend. Tatsächlich sind die Potenziale enorm: Zuallererst könnten zahlreiche Transportwege nachhaltig gekürzt werden, wodurch sich der landesweite CO2-Ausstoß und Energiebedarf erheblich verringern würden. Ebenso könnte durch die Schaffung von mehr regionalen Arbeitsplätzen dem Corona-bedingten Strukturwandel der Berufslandschaft  wirksam die Stirn geboten werden, da sich dadurch junge Potenziale vermehrt aufs Land locken ließen. Vor allen Dingen aber verspricht die Regionalisierung von Wirtschaftsstrukturen mehr Resilienz und Unabhängigkeit angesichts globaler Krisen. Doch Region ist nicht gleich Region.

Warum mehr Geld direkt in der Region bleiben sollte

Aus gesetzlicher Perspektive ist der Begriff „Region“ nicht geschützt. Er kann sowohl makro-regional über Landesgrenzen hinweg als auch sub-regional oder lokal verstanden werden. Es gibt viele Möglichkeiten, wirtschaftlichen Raum zu strukturieren und Regionen voneinander abzugrenzen. Welche Größenordnung man in Sachen Regionalisierung auch als Maßstab nimmt, entscheidend ist, dass sich die Wertschöpfung von Unternehmen auf einen überschaubaren räumlichen Bereich konzentriert. Dieser ist in der Regel gekennzeichnet durch eine gewisse Ähnlichkeit mit ihm in Verbindung stehender Merkmale und durch einen bestimmten Grad wirtschaftlicher Verflechtung. Die Bedeutung von Regionalisierung geht jedoch über die Dekarbonisierung und die kosteneffiziente Erfüllung von Kundenwünschen hinaus. Denn manche Unternehmen, die es wagen, sich zu regionalisieren, gehen sogar einen wichtigen Schritt in Richtung Stärkung strukturschwacher Gebiete. Und laut der gesamtdeutschen GRW-Fördergebietskarte von 2022 (GRW → Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz gibt es bundesweit noch eine ganze Menge Gebiete mit markanten Strukturdefiziten. Die Lösung ist mehr regionale Wertschöpfung, die auch dafür sorgt, dass mehr Geld direkt in der Region bleibt und beispielsweise für mehr Bildung oder die Pflege der Kulturlandschaft verwendet wird.

Geldscheine in reifem Weizen als verbildlichung von Regionalisierung

Ob die Deglobalisierung bereits in vollem Gange ist, kann nur vermutet werden. Sicher ist vielmehr, dass immer mehr Firmen die Chancen regionaler Netzwerke sich zu eigen machen werden. Hierfür sind jedoch besonders die Wertschöpfungsketten strukturschwacher Gebiete zunächst durch Investitionen und Subventionen zu fördern. Schließlich muss jede Region mit spezifischen Ausgangsbedingungen und Herausforderungen – zum Beispiel vom Bergbau oder der Landwirtschaft geprägte Regionen oder der Küstenraum – umgehen, welchen die regionale Strukturpolitik gerecht werden sollte, es aber nicht immer kann. Standortnachteile lassen sich dennoch nachhaltig relativieren, wenn Firmen die Attraktivität einer Region als Wirtschaftsstandort durch Investitionen stärken und dadurch Personalbedarf entstehen lassen, der dem Fachkräftemangel entgegenwirkt. Folglich wird klar, dass die wirtschaftliche Entwicklung einer Region nicht nur von spezifischen Faktoren vorangetrieben wird, sondern auch in besonderem Maße von der Wettbewerbsfähigkeit dort ansässiger Unternehmen – beispielhaft steht hierfür die von Intel geplante Chip-Fabrik in Magdeburg. Damit Firmen innovativ sein können, ist es allerdings nahezu unabdingbar, dass sowohl (regionale) Behörden als auch Unternehmen nicht die eigene digitale Transformation verschlafen. Verfolgen in den kommenden Jahren die deutsche Politik und Wirtschaft ihre Digitalisierungsziele hingegen gewissenhaft, könnten Deutschland vielleicht sogar neue „Goldene Zwanziger“ bevorstehen.

Wir machen aus Talenten Experten!

Bildnachweise für diesen Beitrag:
68593864 © Alis Photo – stock.adobe.com
288163340 © Fokussiert – stock.adobe.com

Schreibe einen Kommentar